Bonner Professoren und Studenten in der Revolution von 1848

Als der Jurist und preußische Beamte Adolph Ernst von Ernsthausen aus Gummersbach 1894 seine Lebens-erinnerungen niederschrieb, gedachte er auch seiner Studienzeit in Bonn, wo er seit 1847 sein in Heidelberg begonnenes Jurastudium fortsetzte. Sein rückblickendes Urteil über die Bonner ist viel zitiert worden: ,,Die Bevölkerung von Bonn lebte bis dahin trotz der massenhaft angehäuften Gelehrsamkeit im Stande der vollkommensten politischen Unschuld. Man ehrte den alten Arndt und Dahlmann als Märtyrer, ersteren auch als Sänger der Freiheitskriege und letzteren als politischen Sachverständigen. Auch mochten die Schlagworte Preßfreiheit und Konstitution nicht ungeläufig sein, aber zu irgend welchen Kundgebungen war es bisher nicht gekommen."

Die Beobachtungen des Gummersbacher Studenten, der sich bis dahin eher selber im Stande unversehrter politischer Unschuld befunden hatte, haben das Bild Bonns in der Geschichtsschreibung über die Revolution nicht zuletzt deswegen beeinflußt, weil sie dem Lebensgefühl der Bonner entsprachen. So schrieb der berühmte Kunstsammler Sulpiz Boissereé im Januar 1849 an den Philosophen Friedrich Wilhelm von Schelling nach Berlin von der Sorge vor den Übergriffen des Pöbels in ,,unserem kleinen, stillen Bonn''. Die bunten Mützen der Studenten und die würdevoll einherschreitenden Professoren in ihren schwarzen Gehröcken prägten zwar gerade in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Bild der Stadt, aber ihre Zahl ging in den Tagen der Revolution nicht über 700 hinaus. Politische Äußerungen waren für sie weniger von Interesse als Kommerse und Mensuren. Doch die Ruhe täuschte, und das Bild der Universität wird verzerrt, wenn man das politische Engagement ihrer Mitglieder nur in den lautstarken Protesten und Agitationen der Straße sucht. Schon in den Jahren vor der Revolution hatten sich insbesondere die Professoren einer politischer Betätigung nicht verschlossen. vor allem in den Auseinandersetzungen der katholischen Kirche mit dem preußischen Staat, die das ,,Kölner Ereignis" heraufbeschworen hatte, waren Professoren der Rheinischen Friedrich-Wilhelms~Universität Wortführer der katholischen Seite gewesen. Auf der anderen Seite hatten die Protestanten Johann Gustav Gildemeister und Heinrich von Sybel, die der Philosophischen Fakultät angehörten, 1846 eine äußerst kritische Schrift gegen die verehrung des Trierer ,,Heiligen Rockes" verfaßt, welche in katholischen Kreisen für helle Empörung gesorgt hatte.

Obwohl seit den Zeiten der Demagogenverfolgung im Jahre 1819, als man dem gerade wegen seiner großen Berühmtheit berufenen Ernst Moritz Arndt ein komplettes Lehrverbot erteilt hatte, die Stimmen der Bonner Gelehrten zu den allgemeinpolitischen Fragen Preußens und Deutschlands nicht mehr zu vernehmen gewesen waren, blieben sie in politischen Angelegenheiten, die das Rheinland unmittelbar betrafen, nicht untätig. Und auch die Studentenschaft, die insgesamt den deutschen Fürstenhäusern ruhig und unpolitisch genug erschien, um die eigenen Söhne in Bonn studieren zu lassen, ließ sich sehr wohl begeistern und auf die Straße rufen, wenn der Zeitpunkt dafür gekommen war.

Wie überall in Deutschland wurde in Bonn die Nachricht vom Ausbruch der Revolution in Frankreich Ende Februar 1848 mit großem Interesse aufgenommen. Der Student Carl Schurz, der später unter den Bonner Revolutionären die entscheidende Rolle spielen sollte, schildert die Atmosphäre dieses Tages: ,,Wir sprangen die Treppe hinunter, auf die Straße. Wohin nun? Nach dem Marktplatz. Der Markt wimmelte von Studenten, alle, wie es schien, von demselben Instinkt getrieben. Sie standen in Gruppen zusammen und sprachen eifrig; kein Geschrei, nur aufgeregtes Gerede. Was wollte man? Das wußte wohl niemand? Aber da nun die Franzosen den Louis Philipp fortgejagt und die Republik proklamiert hatten, so mußte doch auch hier etwas geschehen. Während in Köln aber die ersten sozialrevolutionären Unruhen um sich griffen, sorgten die Bonner Bürger lieber am 4. März schon für die Aufstellung einer Bürgerwache zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung. Die Studenten erklärten sich bereit, sich an dieser Miliz zu beteiligen. Auch die Universitätsleitung reagierte und berief noch am selben Abend eine außerordentliche Senatssitzung ein. Nach einem Bericht der Professoren Peter Franz Deiters, Johann Jacob Noeggerath und Carl Wilhelm Wutzer über die Vor-gänge auf der Bürgerversammlung beschloß der Senat, ,,den Studierenden zu eröffnen, daß, wenn sie zur Handhabung der Ruhe thätig mitwirken wollen, es für zweckdienlich erkannt worden, daß die Studierenden sich in Abtheilungen, Kompagnien von 40, 50, 60 Mann zusammenschaaren, welche unter den ordentlichen Professoren einen Anführei; Hauptmann und unter sich selbst zwei Adjuncten zu wählen hätten~~. Die dadurch erwünschte bessere Kontrolle der bewaffneten Studenten durch die Dozentenschaft stieß aber auf den Widerstand vor allem der Frankonen und Alemannen, die Deputierte zum Rektor schickten und auf der Aufnahme der studentischen Schützen in die allgemeine Bürgerwehr drängten. Daß das Anliegen der Studenten nicht auf taube Ohren stieß, lag an der liberalen Gesinnung vieler Professoren.

Der eigentliche politische Kopf unter ihnen war der Historiker und Staatswissenschaftler Friedrich Christoph Dahlmann. Als einer der ,,Göttinger Sieben" war er in ganz Deutschland in den Zeiten der Restauration berühmt geworden. Seit 1842 lehrte er an der Bonner Universität. Es war ganz selbstverständlich, daß die national und liberal gesinnten Bonner Dozenten in ihm ihren Sprecher sahen. So kam es, daß der Rektor Dahlmann am 8. März mit der Abfassung einer Eingabe an den König betraute, in der man sich für Pressefreiheit und für eine Verfassung einsetzte. Die Plenarversammlung der Bonner Professoren billigte und unterzeichnete den Text nahezu einhellig, nur der aus der Schweiz stammende Romanist Charles Monnard, der Staatsrechtler Clemens Theodor Perthes und der Geograph Georg Benjamin Mendelssohn verweigerten sich jedem Zugeständnis an politische Veränderungen. Am 13. März wurde die Nachricht vom Sturz Metternichs unter den Bonner Professoren als Befreiung des Geistes gefeiert. Als am 18. und 19. März in Berlin die Revolution offen ausbrach und die Barrikaden errichtet wurden, waren es Professoren der Universität, die unter einer schwarz-rot-goldenen Fahne den Zug begeisterter Menschen anführten. Unser nüchterner Augenzeuge Ernsthausen schildert es so: ,,Nachdem der Zug auf [demj Marktplatze angekommen wai; bestieg Kinkel die Rathhaustreppe und schwenkte unter begeisterten Worten das deutsche Banner nach allen Weltrichtungen. Dann übergab er es dem Bürgermeister Oppenhoff, der es in seine Obhut nahm. Arndt und Dahlmann, die ebenfalls auf der Treppe standen, umarmten sich unter lautem Zuruf des Volkes.~' Acht Tage später schlug Oberbürgermeister Carl Edmund Oppenhoff die Bildung einer Zentral~Bürgerversammlung voi; darin unterstützt von den Professoren Arndt, Deiters, Gottfried Kinkel, Albrecht Ritschl und Ferdinand Walter. Der Plan wurde angenommen, Professor Walter wurde Präsidenten, Professor Kinkel zu seinem Stellvertj gewählt. Wer wo{ke da noch behaupten, die Univer Bonn habe den Ereignissen der Revolution gegeni in unpolitischer Bewegungslosigkeit verharrt. Doch meint, Studierende und Professorenschaft hätten an die Spitze einer großen gemeinsamen Bewegun~ stellt, verkennt die Verschiedenheit der Ziele und 11 nungen, die sich nur in den wenigen stürmis( Augenblicken des 20. März auf der Rathaustrepp den Hintergrund drängen ließen. Die meisten Profe ren, die am 19. und 20. März noch die Begeisterung Masse geteilt hatten, wurden durch die allmählich treffenden Nachrichten vom Blutvergießen in Bt aufs Tiefste schockiert. In den nun in Gang komn den Vorbereitungen für die Wahl zur National sammlung wurden die unterschiedlichen Ziele im. deutlicher und ließen sich allmählich einzelnen Ea~ zuordnen. Weder die Konservativen noch die Demol ten konnten unter der Professorenschaft auf eine sta Anhängerschaft hoffen. Nur wenige, wie der schon wähnte Staatsrechtler Perthes, wollten gar nichts an bestehenden Verhältnissen ändern. Genauso sah es den Demokraten und radikalen Republikanern ~ Einzig Kinkel, vom Theologiedozenten wegen sei Heirat mit der geschiedenen katholischen Pianis Johanna Matthieux durch den Druck des Presbyt~ ums zu einer Professur in Kunstgeschichte übergewe< selt, war ein überzeugter Demokrat. Die allergröl Anzahl der Bonner Professoren zählte sich zu den Kc stitutionellen, jedoch aus unterschiedlichen Motiven. den Kreisen derei; die sich eine konstitutionelle Monarchie mit einem feststehenden Parlament wünschten, tI fen sich die protestantischen Liberalen wie Arndt od Dahlmann mit den Vertretern eines Katholikentun das zwar noch nicht der ,,politische Katholizismu späterer Jahrzehnte war, das aber in der Universit durch die Auseinandersetzungen um den Hermesiani mus und die Mischehenfrage eher eine Politisierung e fahren hatte als in der übrigen Bevölkerung. Die, ,,Klerikalen" hatten in Bonn und Umgebung in den Wahlen zur preußischen Nationalversammlung das Übergewicht, weshalb auch nicht der berühmte Professor Dahlmann zum Bonner Deputierten wurde (trol des geschickten Slogans: Wahlmann wähle Dahlmann sondern die Juraprofessoren Johann Joseph Bauerban und Ferdinand Walter. Kinkel erhielt kein Mandat fü Berlin. In die Frankfurter Paulskirche wurden siebe weitere Bonner berufen, und zwar als Deputierte de Städte bzw. Kreise Solingen, Segeberg, Rheinbach, Er kelenz, Neuwied, Düren und Neuss. Es waren sämtlicl Professoren, und zwar neben den Liberalen Arndt unc Dahlmann die rheinischen Katholiken Peter Fran< Deiters, Jacob Clemens, Franz Peter Knoodt, Joseph Braun und Franz Xaver Dieringer. Von den insgesamt 49 Professoren in der Paulskirche kam also ein nicht geringer Anteil aus der rheinischen Alma Mater.

Das Interesse der Bonner Universitätsangehörigen an revolutionärer Aktivität ist im Verlauf des Sommers 1848 deutlich erlahmt. Die konstitutionell gesinnten Kreise unter den Studierenden und Professoren schauten nun nach Frankfurt. Als aus der Bürgerwache eine Bürgerwehr gemacht wurde, um die errungenen Freiheiten auf Dauer zu schützen, zeigten die anfangs so enthusiastischen Studenten sich nicht mehr an einer Teilnahme interessiert.

Die Bonner Professoren, die nun in die Paulskirche einzogen, waren alles andere als einig. Daß sich die Katholiken dennoch an die Liberalen anlehnten, dürfte seinen Grund in der weitaus größeren Sorge vor den radikalen Forderungen der Demokraten in Kultusangelegenheiten gehabt haben. Entschiedenes Revoluzzertum lag Dahlmann ebenso fern wie Braun oder Deiters. Als man Dahlmann in der Krise der Nationalversammlung nach dem Waffenstillstand von Malmö an die Spitze des Reichsministeriums berufen wollte, versagte er sich mit der Bemerkung, lieber Professor bleiben zu wollen. Max Braubach skizziert ihn zu Recht als einen, der Staatsdenker; nicht aber Staatsmann sein wollte. Die großdeutsch gesinnten katholischen Repräsentanten der Bonner Hochschule, der Jurist Deiters, die Theologen Braun und Dieringer sowie die Philosophen Knoodt und Clemens, äußerten sich zunehmend nur noch zu Fragen, welche die Unabhängigkeit der katholischen Kirche und ihr Recht auf die Schulaufsicht betrafen. Arndt schließlich hatte kaum noch Einfluß auf die parlamentarischen Verhandlungen. Max Braubach stellt fest, ,,daß der greise Patriot in Frankfurt zwar als eine Art Petrefakt aus der Zeit der ersten Erhebung eines deutschen Nationalgefühls geehrt wurde, eine Wirkung aber von ihm nicht mehr ausging. Auch in der preußischen Nationalversammlung in Berlin zeigten sich die Bonner Professoren nicht als radikale Verfechter parlamentarischer Freiheit, sondern eher als zahme Befürworter königlicher Ordnungsmaßnahmen. Walter billigte die Verlegung der Versammlung von Berlin ins besser kontrollierbare Brandenburg und stellte sich als ihr neuer Präsident zur Verfügung. Als der König dieser Brandenburger Versammlung eine Verfassung oktroyierte, fand seine Handlung den Beifall der beiden Bonner Professoren Bauerband und Walter. Dies nicht nur; weil die Formulierungen dieser preußischen Verfassung den Forderungen der Katholiken nach der Schulaufsicht entgegenkamen, sondern, so Horst Lademacher; weil ,,das Faktum der Oktroyierung selbst ... für die rheinischen Katholiken und Liberalen ... zu jenen Ordnungsmaßregeln zählte, die seit je zum Repertoire des politischen Instrumentariums gehörten.

Die Sorge um die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung, welche sich im Verhalten der Bonner Abgeordneten spiegelt, entspricht der geistigen Haltung der meisten Angehörigen der Bonner Universität in den Revolutionstagen. Es ist bezeichnend, daß der als Gegengewicht gegen die Demokraten gegründete konstitutionelle Bürgerverein ein regelrechtes ,,Professoren-Unternehmen" (Braubach) gewesen ist. Aber es gab auch andere. Professor Kinkel war den Sommer 1848 hindurch in Bonn nicht untätig gewesen und hatte einen demokratischen Verein ins Leben gerufen, der eifrig tagte. Schurz schreibt in seinen Erinnerungen: ,,Unter den Studenten gehörten Strodtmann, ... Ludwig Meier; ein Mediziner; eine brave enthusiastische Natur; und ein Westfale namens Brüning... zu den eifrigsten. Schurz selbst als treuester Anhänger Kinkels spielte natürlich eine ganz erhebliche Rolle. Ludwig Meyer verschrieb sich ganz der demokratischen Sache, was ihn neben Kinkel und anderen 1852 im ,,Kölner Kommunistenprozeß~' auf die Anklagebank brachte. Die meisten, wie Ernsthausen oder Georg Brüning, verloren aber noch im Verlauf des Sommers die Lust an der Revolution und hielten sich von den Versammlungen fern oder wechselten die Universität. Kinkel und Schurz ließen sich davon nicht beirren und beriefen den demokratischen Verein zu weiteren Versammlungen ein, die auch gut besucht wurden. Allerdings bestand der Verein nach einem Polizeibericht vom 22. Oktober 1848 ,,meist aus Individuen der geringeren Klaße. Ihre Zahl ist nicht näher anzugeben, da unter den jedesmals Anwesenden (mitunter 200, 400, bis 700> sehr viele Zuhörer; theils aus der Stadt, theils vom Lande sich befinden, die aus Neugierde dort sich einfinden ohne Mitglieder des Vereins zu sein.~~ Mit Hilfe dieses Vereins und der Bürger-wehr setzte Kinkel am 18. und 19. November beherzt den Steuerboykott' den das nur noch aus einer Handvoll linker Abgeordneter bestehende preußische Parlament beschlossen hatte, in die Tat um. Am Sonntag, dem 19. November 1848, ging damit die Macht in Bonn praktisch in die Hände der Demokraten unter der Führung von Schurz und Kinkel über. Aber schon am nächsten Tag rückte unter klingendem Spiel ein ganzes Bataillon preußischer Truppen zur Verstärkung der schwachen Bonner Garnison ein und fegte die demokratische Erhebung unblutig hinweg. Die Sorge der Offiziere, einer erregten und bewaffneten Masse von Studenten entgegenstehen zu müssen, erwies sich als völlig unbegründet, obwohl Schurz und seine Freunde die ganze Nacht mit dem Gießen von Kugeln zugebracht hatten.

Noch einmal versuchten die Bonner Demokraten, die Revolution mit der Waffe in der Hand zu retten. Das war nach dem Scheitern der Delegation, die - angeführt vom Bonner Professor Dahlmann - König Friedrich Wilhelm IV am 30. März 1849 vergeblich die deutsche Kaiserkrone angetragen hatte. Im Mai gärte es allenthalben. In Elberfeld im nahen Wuppertal, aber auch in der Pfalz und in Baden, brach der Aufstand los. Als Reaktion machte die preußische Regierung den Landsturm mobil. Das löste Empörung aus, und das BONNER WOCHENBLATT meldet für den 10. Mai versammlungen ,,von seiten der Landwehr, um sich der Einkleidung zu widersetzen". Der aufgebrachten Menge fehlten aber Waffen. So war schnell der Plan gefaßt, es anderen deutschen Städten gleichzutun und ein Zeughaus zu stürmen. Das für die Bonner Landwehrmänner zuständige Zeughaus stand in Brühl, aber man entschloß sich, gegen das näher gelegene Siegburg los-zuschlagen. Im dortigen Waffenarsenal lagerten 2400 Gewehre, 580 Infanteriesäbel, 358 Kavalleriesäbel, 320 Lanzen, 358 Pistolen sowie die dazugehörigen militärischen Ausrüstungsgegenstände. von Siegburg aus wollte man mit den erbeuteten Waffen nach Elberfeld ziehen, um die dortigen Revolutionäre zu unterstützen. Am 10. Mai versammelte sich schon morgens eine große Menschenmenge in der Gaststätte ,,Römer". Der Gastwirt Anselm Ungar wurde zum Vorsitzenden der Versammlung gewählt und rief zum Widerstand gegen die preußische Regierung auf Professor Kinkel, der anerkannte Führer der Demokraten, der nach der Auflösung der Nationalversammlung wieder seinen Dienst in Bonn aufgenommen hatte, erschien erst am Nachmittag, weil er zuvor noch seine Vorlesung abgehalten hatte. Kinkels Rede riß die Zuhörer mit, und mit Begeisterung beschloß man den Sturm auf das Siegburger Zeughaus. Unter der Leitung des ehemaligen preußischen Leutnants Fritz Anneke setzte die Schar in der Nacht auf der fliegenden Brücke nach Beuel üben Bei der Aufstellung auf dem rechten Rheinufer stellte sich aber schon heraus, daß von der Menge im ,,Römer' nur noch etwa 100 Menschen übrig geblieben waren, vor allem einfache Leute aus der ,,Kuhl'', dem ärmsten Bonner Viertel. Ihnen wurden 34 Dragoner hinterhergeschickt, die wohl nicht einmal sehr erpicht darauf waren, die Aufrührer anzugreifen, denn sie ritten ohne Gegenwehr einfach durch die Schar hindurch, die sich in die Felder längs der Straße in Sicherheit brachte und eflig zerstreute.

So endete die Revolution in Bonn eher als Posse denn als heldenmütiger Aufstand. Kinkel, Anneke und Schurz zogen die Konsequenzen und begaben sich dorthin, wo wirklich gekämpft wurde. Sie schlossen sich den Aufständischen in Baden und der Pfalz an. Kinkel wurde am 29. Juni bei der ersten Feind-berührung leicht verwundet und geriet in preußische Gefangenschaft. Schurz entkam als politischer Flüchtling in die Schweiz. Als ein preußisches Gericht Kinkel zu lebenslanger Haft in der Festung Spandan verurteilt hatte, bat Johanna Kinkel den treuen Freund und Schüler um Hilfe. In einer spektakulären und kühnen Aktion befreite Schurz den mittlerweile als Märtyrer der Revolution in ganz Deutschland verehrten Professor am 6. November 1850 aus dem Gefängnis und floh mit ihm nach England. Dort und ab 1866 in der Schweiz hat Kinkel als Professor für Kunstgeschichte den Rest seines Lebens zugebracht. Schurz aber wanderte in die Vereinigten Staaten aus. Er beendete sein Jurastudium und trat an der Seite Abraham Lincolns in die Politik ein. Im Bürgerkrieg kämpfte er als Brigadegeneral zusammen mit einer Reihe anderer deutscher Emigranten, die er zum Teil schon in der Plälzer Kampagne von 1849 kennengelernt hatte. Nach dem Krieg wurde er Senator und schließlich von 1877 bis 1881 amerikanischer Innenminister.