Vor 300 Jahren: Baubeginn am Bonner Residenzschloß

von Thomas P. Becker

Barocke Schlösser waren für die Fürsten dieser Zeit und für ihre Untertanen Ausdruck fürstlicher Machtentfaltung oder zumindest eines selbstbewußten Machtanspruchs. Zielgerichtete Planungen sind daher in der europäischen Schlösserlandschaft des 17. und 18. Jahrhunderts keine Seltenheit. Anders in Bonn, wo die schiere Notwendigkeit zu einem Neubau zwang. Ein erstes Residenzschloss hatte es hier utner der Regierung des kunstliebenden Erzbischofs Salentin von Isenburg gegebne, der allerdings den weltlichen Dingen und dem Soldatenleben mehr zugetan war als dem geistlichen Dasein. Schon nach zehn Jahren seiner Regierung trat er von seinem Amt zurück, um zu heiraten und Söhne zu eugen, denn er war der letzte seines Stammes. Durch den grausamen Religionskrieg, den sein Nachfolger Gebhard Truchsess von Waldburg angezettlet hatte, kam das Erzbistum und das Kurfürstentum Köln in den Besitz des Hauses Wittelsbach. Einer der wichtigsten Wittelsbacher Erzbischöfe, Ferdinand, baute die Bonner Residenz weiter aus. Er war es auch, der Bonn 1599 offiziell zur Haupt- und Residenzstadt machte. Dieses wunderschöne Renaissance-Bauwerk wurde ein Opfer des Krieges. Der Kölner Kurstaat wurde nämlich in die Kriege des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV. verstrickt. So kam es, dass seit dem 24. Juli 1689 38 brandenburgische, 25 münsterische und 15 holländische Kanonen und Mörser ein mehrtägiges möderisches Dauerfeuer auf die von französischen Truppen besetzte Stadt niederprasseln liessen. Von den Stadthäusern und dem prächtigen Renaissanceschloß der Kölner Kurfürsten blieben nur rauchende Trümmer übrig. Anlaß dieser Zerstörungswut war der Krieg gegen den französischen König Luwig XIV., mit dem sich der kurkölnische Staatsminister Fürstenberg gegen den eigentlichen Anwärter auf den Kölner Erzbischofs- und Fürstenthron, den Bayernprinzen Joseph Clemens, verbündet hatte.Gleichzeitig war in der Pfalz das Ringen um die Erbfolge von Ludwigs Schwägerin Lieselotte ausgebrochen. Erst 1697 fand dieser gnadenlose Kampf gegen den Sonnenkönig sein Ende - vorläufig.

Nun erst konnte der endlich in den Besitz seines Landes gelangte junge Kurfürst daran gehen, seine notdürftig reparierte Residenz wieder aufzubauen. Joseph Clemens orientierte sich an den gewohnten Vorbildern seiner bayerischen Heimat und ließ sich vom Münchener Hofarchitekten Enrico Zuccali Pläne für eine neues Bonner Schloß ausarbeiten. Zuccalli hatte sich an den Bonner Gegebenheiten zu orientieren, die dem Schloß nur wenig Platz ließen. Die südöstliche Front (am heutigen Hofgarten) wurde durch die Stadtmauer begrenzt. Im Nordosten verlief vom Stockentor her eine dichtbebaute Straße, im Südwesten stieß die Schloßmauer unmittelbar an die Immunität des Münsters, die nordwestliche Front verlief entlang der Straße (heute Am Hof"), auf deren gegenüberliegener Seite neben Bürgerhäusern auch der Friedhof der Bonner Hauptkirche lag (der heutige Römerplatz), was eine Ausdehnung in diese Richtung unmöglich machte. Das ließ ein Areal von ca. 160 x 80 Metern übrig. Für den aus Graubünden stammenden Architekten war diese beengte Lage jedoch vertraut, denn in den italienischen Stadtstaaten, an deren Architektur er sich orientierte, herrschten oft ähnliche Verhältnisse. Hier hatte man zuerst den Typ des viertürmigen Stadtschlosses entwickelt. Das gab zum einen Silhouette des Schlosses aus der Ferne ein prägnanteres Bild, zum anderen ließ sich durch Zurücklegen der Front hinter die Bauflucht ein repräsentativer Eingangbereich schaffen, der die Besucher in Empfang nahm, noch ehe sie den Haupttrakt betraten. Zuccalli nutzte ansonsten die vorhandene Struktur des älteren Renaissanceschlosses, dessen erhaltene Flügel er in seinen neuen Bau mit einbezog. Schon im Vorgängerbau war das Zentrum der Schloßanlage ein von Gebäuden umschlossener Innenhof gewesen. Dieser große - nun von Arkaden geschmückte - Haupthof wurde im Plan Zuccallis durch zwei Quertrakte von weiteren Höfen abgeteilt. Der erste, zur Straße hin offene Hof war der schon erwähnte Eingang. Der zweite Quertrakt war der Ort der Schloßkirche, die so in der Residenz eines Erzbischofs eine zentrale Stellung bekam. Dahinter verblieb ein weiterer kleiner Hof, der nicht mehr geöffnet war, sondern nach Südwesten hin von einem letzten Quertrakt abgeschlossen wurde. Zwischen den mächtigen dreigeschossigen Türmen sollten an der Mauer- und an der Straßenfront einheitliche Fassaden entstehen, schlanker und verspielter als die heutigen, aber in der Struktur und dem Erscheinungsbild nicht weit davon entfernt. Zuccalli hat freilich den Bau des Bonner Schlosses nur geplant, die Ausführung überließ er seinem Schüler Antonio Riva. 1697 konnte Riva den Grundstein legen. Die Fassade an der Mauerseite mit den beiden Türmen wurde vollendet, doch 1703 mußten die Bauarbeiten an der Straßenfront jäh unterbrochen. Wieder war es ein Krieg gegen Ludwig XIV., der die Baugeschichte des Bonner Schlosses veränderte. Nur dieses Mal stand Joseph Clemens auf der Seite der Franzosen. Das brachte ihn ins Exil nach Frankreich. Dort entstand die Vision des gewaltigen Schlosses mit weit ausgreifenden Flügeln an jeder Seite, die er nach seiner Rückkehr 1715 zu verwirklichen versuchte. Nur ein Teil seiner Planung ist fertig geworden und bildet heute das langgestreckte Hauptgebäude der Universität.

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