Am heutigen Tag blicken wir zurück auf 800 Jahre Geschichte dieser Pfarrei und dieser Kirche. "800 Jahre", das sagt sich so leichthin, dass man denkt, man habe einen solchen Zeitraum schnell im Blick, wenn man sich nur einen Moment lang zurückwendet. Dabei ist das in Wahrheit eine so lange Abfolge von Generationen, dass einem geradezu schwindelig werden kann, wenn man versucht, sie hintereinander zu reihen. Stellen Sie sich doch gerade einmal vor, ihre Familie hätte schon seit den Zeiten des Pfarrers Reimbold vor 800 Jahren hier gelebt, und die ganze Zeit über sei immer einer ihrer Vorväter hier am Ort gewesen. Dann wäre der Urahn, der bei Pfarrer Reimbold in die Messe gegangen ist, ihr Großvater mit 24 "Ur" davor. Wenn man sich vor Augen hält, dass es heute manchen Kindern schwerfällt, schon die eigenen Eltern zu verstehen, dann blitzt vielleicht ein wenig Verständnis in uns dafür auf, wie weit wir innerlich doch entfernt sind von jenen Adenauer Einwohnern längst vergangener Tage, an die wir uns heute zurückerinnern wollen.
Leider ist es der historischen Forschung nicht vergönnt, die Menschen des 13. Jahrhunderts, die diese Kirche erbaut und mit Leben gefüllt haben, nach ihren Wünschen, Vorstellungen und Einstellungen zu fragen. Auch wenn wir uns noch so sehr eine Zeitmaschinen wünschen, so müssen wir doch alle unsere Erkenntnisse aus den wenigen verbliebenen Papieren ziehen, die in den verschiedenen Archiven erhalten geblieben sind. Für eine Eifelpfarrei sind das leider nicht allzu viele. So wissen wir ja nicht einmal, wann denn eigentlich die Pfarrei in Adenau gegründet worden ist. War es in der Zeit Ottos III., der in einer Urkunde des Jahres 992 zum ersten Mal von einem Adenauer Bach spricht? War tatsächlich schon im Jahre 975 eine erste Kirche hier, als Filiale von Kalden Reiferscheid, noch bevor überhaupt von einem Ort etwas bekannt ist? Und wenn ja, warum ist die Ersterwähnung eines Priesters dann erst 1202? Und welches Patrozinium hat diese erste Kirche des 13. Jahrhunderts denn gehabt? Die Johanniter erhielten die Pfarrrechte für Adenau erst 1224 vom Grafen Gerhard von Are übertragen. "Johannes der Täufer" klingt allzu sehr nach den späteren Pfarrinhabern aus dem Johanniterorden, als dass man annehmen dürfte, hier das ursprüngliche Patrozinium vor sich zu haben. Wir werden es wahrscheinlich nie erfahren.
Ich bin kein Mediävist, und daher werde ich mich nicht weiter im Nebel mittelalterlicher Geschichte auf die Suche nach den Anfängen der Pfarrei Adenau begeben, sondern lieber versuchen, von dem auszugehen, was schriftlich überliefert und in Archivalien zu finden ist. Sicher ist die Ersterwähnung eines Pfarrers Reimbold im Jahre 1202, dessen Stellung und dessen Rechte als Pfarrer offensichtlich schon so groß und umfassend gewesen sind, dass man für die Abtretung einiger Bauernhöfe, die zur Nikolauskapelle in Nürburg gehörten, ausdrücklich seine Einwilligung einholen musste. Sicher ist damit zugleich die Existenz einer Pfarrei, die entstanden ist aus einer Eigenkirche der Grafen von Are. Damit ist ganz nebenbei auch die Existenz des Ortes Adenau für das Jahr 1162 gesichert, denn für die Zeit Ottos III. ist Adenau ja nur als Flurbezeichnung belegt. Ich denke, wir dürfen ruhig von einem größeren und bedeutenderen Ort ausgehen, wenn Graf Ulrich von Are hier einen Hof besaß, der so ansehnlich war, dass es sich lohnte, ihn dem hochmodernen und gerade erst vor wenigen Jahrzehnten gegründeten Johanniter-Orden anzubieten. Dass die Kirche zuerst da war und nicht etwa die Johanniter-Kommende, das kann man in den alten topographischen Karten sehen, auf denen die Anlage des Kirchenbezirkes eingetragen ist. Deutlich ist die Kirche als alleinstehender Bau zu erkennen, umgeben von einem Friedhof, und nicht etwa als ein fest mit der Komturei verbundener Anbau. Die Johanniter haben der Kirche allerdings ihren Stempel aufgedrückt, indem sie da, wo wir uns jetzt befinden, einen zweijochigen erhöhten Chorraum angebracht haben, der aus einer Kirche mit Chorturm eine kreuzförmige Kirche mit Vierungsturm machte, wie man es bis zur Erweiterung der Kirche sehen konnte, die zu Anfang des 20. Jahrhunderts dem jetzigen Bau weichen mußte, der aus einem romanischen einen gotischen Kirchenraum machte, während die ursprüngliche Pfarrkirche, das alte Langhaus, erst Vorbau und nach dem Zweiten Weltkrieg dann Atrium wurde.
Die Kirche selbst hat also in den Jahrhunderten ihres Bestehens vielfach ihr Gesicht gewechselt, ja, sie ist in gewisser Weise sogar einmal um den Turm herumgewandert. Einige Elemente des alten Kirchenraumes sind aber durch die Zeiten hindurch unverändert geblieben, so zum Beispiel der wunderschöne Taufstein aus dem 13. Jahrhundert, von dem es schon in ältesten Aufzeichnungen der Pfarrei heißt, er habe an der linken Seite im Chor in der Nähe des Hochaltars gestanden. Kirchenmauern, Taufbecken, Glocken und andere Gegenstände sind Zeugnisse der vergangenen Zeit des Mittelalters in der Pfarrgemeinde Adenau. Aber Kirche, das sind nicht tote Gegenstände, und seien sie noch so schön, Kirche, das sind Menschen. Denen aber begegnen wir leider erst sehr spät in den Quellen. Die Archive weisen erst für die frühe Neuzeit einige Nachrichten auf, die uns auch die Lebenswelt einer Pfarrgemeinde wie Adenau näherbringen können. Das Ordenshaus der Johanniter in Adenau war bis zum Ende des 15. Jahrhunderts ein Priesterhaus. Die Johanniter haben also in dieser Kirche ihre Messen gelesen. Für den Pfarrdienst aber stellten sie Weltgeistliche an, "Leutepriester" genannt, vom lateinischen "Plebanus". Pfarrer Reimbold wird einer dieser Plebane gewesen sein. Erst 1224, wie oben schon erwähnt, erhielten die Johanniter die Pfarrei, allerdings zunächst ohne den Zehnten, der noch 1269 dem Herrn von Nürburg zustand. Als 1316 im sogenannten "liber valoris" alle vollgültigen Pfarreien der Erdiözese Köln aufgeführt wurden, fehlte Adenau allerdings, weil mittlerweile die Pfarrei ganz in der Johanniter-Komturei aufgegangen war. Der Orden jedoch zog sich immer mehr aus Adenau zurück. Aus einer Generalvisitation des Johanniterordens im Jahre 1495, dem Jahr, in dem die letzten Mauren in Spanien geschlagen wurden und Christoph Columbus mit der Entdeckung Amerikas ein neues Zeitalter einläutete, erfahren wir, dass damals nur noch ein einziger Ordensgeistlicher, ein Kaplan, in Adenau war. Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts waren die Komture selber keine Geistlichen mehr sondern Ritter. Für die gottesdienstlichen und seelsorgerischen Aufgaben waren aber damals schon drei Weltpriester eingestellt. Sie hatten ihr Auskommen, aber zusammen mit den Kosten für die Kerzen, die auch aus den Abgaben für die Pfarrpriester bestritten werden mußten, war das Geld doch sehr knapp. Dies blieb auch noch in der Mitte des 16. Jahrhunderts so, als eine weitere Generalvisitation nach Ertragsquellen für den Orden suchte, weil durch die Reformation die Einkünfte der Johanniter arg geschmälert worden waren.
A propos Reformation. Allem Anschein nach hat es in Adenau im 16. Jahrhundert keinen dauerhaften Einfluß der Lehren aus Wittenberg, Zürich oder Genf gegeben. Das ist aber gar nicht so selbstverständlich, wie uns die Eifelromane unserer Zeit, von Clara Viebig bis Jacques Berndorf, gern glauben machen. "Häretiker" und "Schismatiker", wie sie im Sprachgebrauch der damaligen katholischen Amtsakten hießen, gab es etwa in Dockweiler, in Kalden Reifferscheidt, in Uxheim oder in Niederehe, von Münstereifel ganz zu schweigen, wo es am Aschermittwoch 1611 zu einer regelrechten Massenprügelei zwischen Protestanten und Katholiken gekommen war. Die Mehrzahl der Christen in der Eifel blieb aber bei ihrer angestammten Kirche und Religion. Die Umbrüche und Herausforderungen, die sich durch das Aufkommen der Reformation eingestellt hatten, die haben die Menschen in Adenau und anderswo in der Eifel aber durchaus gespürt. Christentum ist zwar immer Christentum, aber Katholizismus ist noch längst nicht immer gleich Katholizismus. Dass die Eifler katholisch blieben, das bedeutet nicht, dass sie auch die Wandlungen mitgemacht hatten, die sich im Verlauf des 16. Jahrhunderts innerhalb der katholischen Kirche vollzogen hatten. Im Gegenteil: Als man sich in den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts in Münstereifel darum bemühte, ein Jesuitenkolleg eröffnen zu dürfen, war der Jesuitenprovinzial in Köln zunächst sehr dagegen. Der Münstereifeler Stiftskanoniker Hermann Gebour versuchte, den Provinzial umzustimmen, indem er ihn auf die erheblichen religiösen und pastoralen Mißstände hinwies, die in der Eifel anzutreffen seien. "Es ist", so schrieb er an den Provinzial Baving, "ganz gewiß kein geringeres Verdienst vor Gott, hier zu arbeiten, als in den weit entfernten Heidenländern". Hermann Gebour lag, gemessen an den Vorstellungen und Anforderungen des im Konzil von Trient erneuerten katholischen Glaubens, gar nicht weit von der Wahrheit entfernt. Wenn wir uns die Menschen in der Eifel, die Pfarrer genauso wie ihre Gemeinden, in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts anschauen, werden wir das Gefühl der Fremdartigkeit, ja des Befremdet-Seins, nicht los. Da ist zum Beispiel Johannes Steinfeldt, Pfarrer von Dockweiler, nicht weit von hier auf der Strecke nach Daun gelegen. Als ihn der Generalvikar im Jahre 1626 visitierte, war er 54 Jahre alt. Er selbst war von unehelicher Geburt, wie es sein Vater und sein Großvater auch schon gewesen waren. Wir wissen es nicht, aber viel spricht dafür, dass diese beiden auch schon Priester in der Eifel gewesen sind. Steinfeldt hatte eine Konkubine, d.h. eine Frau, mit der er vier Kinder hatte. Die Unehelichkeit in seiner Familie wurde also weitergegeben. Statt der Ohrenbeichte hielt Pfarrer Steinfeldt Bußandachten mit gemeinschaftlicher Absolution nach lutherischem Vorbild ab. Früher einmal soll er auch die Kommunion unter beiderlei Gestalt ausgeteilt haben. Auffällig war seinen Pfarrmitgliedern seine enge Vertrautheit mit einem der Protestanten am Ort, und man hatte ihn dabei entdeckt, wie er zusammen mit diesem während der Fastenzeit Fleisch gegessen hatte. Es kommt aber noch schlimmer: Pfarrer Steinfeldt hatte für seine Gläubigen gegen die Gefahren der Welt nicht nur geistliche Hilfsmittel zur Hand. Insbesondere gegen die Pest gab er den Leuten suspekte Heilmittel (Zauberei), und er hatte auch Mittel, die gegen Schwert, Kugel oder Messerstich schützen sollten. Einem Jäger aus Uelheim hatte er beigebracht, wie man in der Nacht des Hl. Johannes bestimmte Samen sammeln könne.
Ein Einzelfall? Nein, im Gegenteil. Bei Pfarrer Steinfeldt haben wir nur die Häufung dessen, was in den anderen Pfarreien des Dekanates Eifel auch anzutreffen ist. Der typische Eifelpfarrer in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges hatte drei bis vier Kinder, deren Mutter bisweilen mit ihm zusammenlebte, bisweilen auch nur gelegentlich zu ihm kam. Manchmal lebte der Pfarrer auch nur mit den Kindern zusammen, wobei er den Söhnen dann wieder einen Posten als Priester in einer anderen Landgemeinde verschaffte. Dies geschah häufig so, dass sie die Weihen schon vor dem vorgeschriebenen Alter erhielten. So war es etwa bei Johannes Fabritius, Pfarrer von Trimborn. Er hatte sich allerdings wegen der verfrühten Weihe eine Dispens erteilen lassen. Auch Pastor Fabritius war gestrauchelt und hatte eine fünfjährige Tochter, die mit ihm zusammen im Pfarrhaus lebte. Die Mutter allerdings hatte fortgeschickt. Wir finden diese Mutter aber gleich in der nächsten Visitationsquelle wieder, denn auch der Pfarrer von Mehren erzählt, er sei mit ihr gestrauchelt. Übrigens war auch dieser Priester vor der Zeit ordiniert worden. Pfarrer, die das Amt von ihrem Vater geerbt haben, gibt es ebenfalls reichlich. Der Dechant des Eifeldekanats etwa, der Pfarrer von Saresdorf, hat einen Vater, der auch Geistlicher ist.. Auch der Pfarrer von Oberehe hat seinen Sohn auf einer Pfarrstelle untergebracht. Der Pfarrer von Wiesbaum gar hat seinem Sohn die Stelle als Kaplan in der eigenen Kirche gegeben, die beiden leben im Pfarrhaus zusammen und zelebrieren gemeinsam in der Pfarrkirche. Es ist nicht meine Absicht, mich mit dieser Aufzählung über die Zustände in der katholischen Kirche hier in der Eifel zu mokieren. Ganz im Gegenteil. Es liegt mir daran, Aufmerksamkeit zu wecken für eine ganz andere Form des Katholizismus. Vieles ist uns fremd, bei den Pfarrern genauso wie bei den Gemeindemitgliedern. Die Prozessionen dieser Zeit zum Beispiel waren noch bis zum 19. Jahrhundert durchsetzt mit Reigentänzen, Spaßmachern und kleinen Theaterszenen, bei denen es viel zu lachen gab. Die Kirchen und die Friedhöfe dienten nicht nur dem Gebet und der Andacht, sondern waren der Ort vieler geselliger Vergnügungen oder auch von Gerichtsverhandlungen und Gemeindeversammlungen. Weltliches und Sakrales durchdrangen einander. Und vieles war nicht durch Kirchengesetz geregelt, sondern durch Herkommen. So waren auch die Pfarrer in der Eifel, von denen 90% zu Anfang des 17. Jahrhunderts eine Konkubine hatten, und von denen viele ihre unehelichen Söhne wieder als Pfarrer einsetzten, sich dabei keiner Schuld bewußt. Sie handelten dem Herkommen entsprechend, und nach diesem war der Pfarrer in einem kleinen Eifeldorf ein Bauer unter anderen Bauern, der oft genug das Feld selbst bestellen mußte. Und ein Bauer, so haben es die Gemeindemitglieder in Königswinter am Rhein einmal im Jahre 1569 einem Visitator zu Protokoll gegeben, braucht nun einmal Frau und Kinder, um seinen Hof in Gang zu halten. Wenn der Pfarrer also Frau und Kinder hatte, nahm die Gemeinde daran keinen Anstoß.
Die Welt aber hatte sich geändert. Die Visitation des Jahres 1626, der wir die Nachrichten über die Pfarrer verdanken, hatte ja nicht umsonst nach den Dingen gefragt, die in den Augen der Visitatoren keineswegs durch das Herkommen entschuldbar waren. Ihre Kontrollbesuche in den Eifelpfarreien waren der Versuch, eine neuen Geist in die Gemeinden zu bringen und das spätmittelalterliche Christentum durch einen modernen Glauben zu ersetzen, der viel ernster und feierlicher war und in dem die Sphären des Weltlichen und des Geistlichen streng getrennt werden sollten. Und wie, so werden Sie sich nach meiner "Tour d‘horizont" durch die verschiedensten Eifelgemeinden fragen, waren denn die Verhältnisse in Adenau? Sie waren ganz anders! Adenau ragt unter den Eifelgemeinden der frühen Neuzeit deutlich hervor. Das ist gut für die Tradition der örtlichen Kirchengemeinde, aber schlecht für den Historiker, denn über die Verhältnisse in Adenau schweigen die Quellen weit mehr als bei anderen Pfarreien. Martinus a Langendorff annorum triginta, bonae vitae. Pastor indiget ciborio. Altare summum videt violatum. Jus patronatus habet Commendator in Adenaw, so heißt es in der Visitation von 1626: Martin von Langendorf, 30 Jahre alt, hat einen guten Lebenswandel. Der Pastor braucht ein Ciborium. Der Hochalter scheint beschädigt zu sein. Das Patronatsrecht hat der Komtur in Adenau. Das ist alles. Drei Zeilen, mehr finden wir nicht. Kürzer ist nur noch die Eintragung des Pastors von Ulmen. bene se habet ("Hält sich gut"), das ist alles, was ausser dem Namen hier notiert ist. No news - good news, so sagt man in England. Wir dürfen den wenigen Sätzen dieser Visitation entnehmen, dass Adenau in dieser Umbruchszeit schon weiter war als die meisten anderen Eifelgemeinden. Das ist zweifellos ein Verdienst der Johanniter, die zwar gar nicht mehr am Ort präsent waren, die aber immer noch für die Auswahl der Seelsorger verantwortlich waren, die in Adenau und in den von hier aus betreuten Dörfern amtierten. Vor allem aber ist es ein Verdienst der Geistlichen, die hier ab dem 17. Jahrhundert amtierten, Pfarrer Martin Langendorf, Pfarrer Stephan Effelsberg, Pfarrer Urban Münnich, der vorher lange Jahre im Jesuitenorden gewesen war, oder Pfarrer Theodor Schreiner. Pfarrer Martin Langendorf ist es zu verdanken, dass sich 1642 die Franziskaner hier niederließen. Er hat die Gemeinde durch die schweren Zeiten des Dreißigjährigen Krieges gebracht. Wie er zu den Schrecknissen der Hexenverfolgung stand, der hier im Amt Nürburg über hundert Menschen zum Opfer gefallen sind und bei der auch zwei katholische Pfarrer auf dem Scheiterhaufen hingerichtet worden sind, das wissen wir nicht. Vielleicht wird es die Forschung noch erhellen können, die in den letzten Jahren immer deutlicher herausgearbeitet hat, dass es gerade die katholischen Pfarrgeistlichen waren, die sich gegen die Verfolgungswut ihrer Gemeindemitglieder stellten, auch wenn sie die Existenz von Hexen nicht in Frage stellten. Sicher ist aber, dass Martin Langendorf die Grundlage für die Erneuerung des katholischen Glaubens in Adenau legte. Seine Nachfolger haben seine Arbeit aufgegriffen. In den Visitationen des 18. Jahrhunderts, die uns recht zahlreich erhalten sind, ist denn auch von Klagen über die Amtsführung und Lebensweise der Pfarrer nichts mehr zu finden. Auch die Pastöre sind durchweg mit der Gemeinde zufrieden, es gibt keine Verletzungen der Sonntagsruhe, es gibt keine Ehemänner, die sich schnell am Sonntagmorgen im Wirtshaus zum Biertrinken und Kartenspielen einfinden, nachdem sie Frau und Kinder in der Messe abgeliefert haben, und es gibt auch keine bekannten Ehebrecher, Kuppler, Wahrsager oder Hellseher. Das Leben der Kirchengemeinde Adenau wird immer mehr dem ähnlich, was auch wir kennen und erwarten. Es ist zwar anders, aber es ist nicht mehr so fremd. Und manchmal ist sogar im Anderen schon das Vertraute. So regnete es zu Anfang des 18. Jahrhunderts zeitweilig beim Katharinenchörchen so sehr herein, dass man dort keine Messe mehr lesen konnte. Und wie ich erfahren habe, Herr Dechant, ist auch heute wieder das Kirchendach an einer Stelle undicht. Und damit bin ich wieder am Ausgangspunkt meiner Ausführungen angelangt, beim Kirchengebäude nämlich. Umbauten an der Kirche, Umbrüche im Glauben - beides hat die Kirchengemeinde Adenau in den mehr als 800 Jahren ihrer Geschichte kennengelernt. Das Gebäude dieser Kirche ist - vielleicht mehr als bei vielen anderen Kirchen in Deutschland - geradezu ein Symbol für einen nie versiegenden Umgestaltungswillen, der selbst die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs noch zum Anlaß für schöpferische Neugestaltung nimmt. Zugleich aber finden sich im Innern dieser neugeformten Kirche immer wieder die beständigen alten Elemente, die auf eine ungebrochene Tradition hinweisen. Und für mich ist es ein ganz besonders schönes Symbol für die Hoffnung schaffende Beständigkeit des christlichen Glaubens, dass hier vor uns als Zeuge einer 800jährigen Geschichte gerade ein Taufbecken steht. Der Gegenstand, der uns auf den Anfang dieser Pfarrgemeinde im 13. Jahrhundert verweist, ist zugleich der Ort, an dem für jeden von uns das Leben in Jesus Christus seinen Anfang gefunden hat. Und ich gebe meiner Hoffnung Ausdruck, dass sowohl die Umgestaltung als auch die Beständigkeit diese Kirche auch noch weitere 800 Jahre – und darüber hinaus – prägen werden.
Archivquellen
Diözesanarchiv Trier, Visitationsbericht Eifeldekanat, Signatur: Abteilung 40 Nr. 799.
Historisches Archiv des Erzbistums Köln, Bestand "Alte Christianitäten", Visitationsprotokolle des Eifeldekanates: * Dec Eifl. A * Dec Eifl. B 2 * Dec Eifl. C * Dec Eifl. D *
Gedruckte Quellen und Literatur
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Becker, Thomas: Konfessionalisierung in Kurköln. Untersuchungen zur Durchsetzung der katholischen Reform in den Dekanaten Ahrgau und Bonn anhand von Visitationsprotokollen 1583- 1761, Bonn 1989.
Derselbe: "Kein geringeres Verdienst vor Gott als in den weit entfernten Heidenländern". Die Geschichte der Jesuiten in Münstereifel, in: Eiflia Sacra. Studien zu einer Klosterlandschaft, hrsg. von Johannes Mötsch und Martin Schoebel, Mainz 1994, S. 407-428.
Derselbe: Alltag auf dem Lande, in: Eine Gesellschaft zwischen Tradition und Wandel. Alltag und Umwelt im Rheinland des 18. Jahrhunderts, hrsg. von Frank Günter Zehnder, Köln 1999, S. 9-22.
Derselbe: Die Gründung des Jesuitenkollegs in Münstereifel, in: St.-Michael-Gymnasium 1625 - 2000. Festschrift zum 375-jährigen Bestehen, hrsg. von Paul-Georg Neft, Selbstverlag des St.-Michael-Gymnasiums, Bad Münstereifel 2000, S. 27-42.
Becker, Thomas/ Beckers-Dohlen, Claudia/ Kaffarnik, Annastina: Visitation und Send im Archidiakonat Bonn. Die Protokolle des Bonner Offizials aus den Jahren 1683 bis 1697, Siegburg 2000.
Fabricius, Wilhelm: Erläuterung zum Geschichtlichen Atlas der Rheinprovinz, Bde. 5.1 und 5.2, Bonn 1909-1913.
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Derselbe: Innerdiözesane Hemmungen und Hindernisse der kirchlichen Reform im 16. und 17. Jahrhundert. Mit besonderer Berücksichtigung des Erzbistums Köln, in Festgabe für Wilhelm Neuss, hrsg. von Eduard Hegel, Köln 1947, S. 163-201.
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