Gegenreformation und protestantische Bewegung im Bonner Raum (1547-1595)

von Thomas P. Becker

Vorbemerkung

Der hier vorgelegte Beitrag, erwachsen aus einem Vortrag vor dem Bonner Heimat- und Geschichtsverein, versucht dem Phänomen der Gegenreformation in der Bonner Bucht nachzuspüren. Es wird darauf verzichtet, auf die beiden Reformationsversuche unter Hermann von Wied und Gebhard Truchseß näher einzugehen. Vielmehr interessiert die Frage nach der katholischen Gegenreaktion auf diese offizielle Etablierung des Protestantismus. Da es sich dabei um ein Wechselspiel von Aktion und Reaktion handelt, wurde auch die Entwicklung der protestantischen Bewegung in den Blick genommen, d.h. der Ausbreitung der verschiedenen neuen Bekenntnisse, soweit sie nicht in den Zeitraum der offiziellen Anerkennung fällt. Der Begriff "Gegenreformation" wird dabei ganz so verstanden, wie er 1946 von Hubert Jedin neu definiert worden ist: Gemeint ist die unter Ausübung von Gewalt erzwungene Rekatholisierung einer vom Protestantismus "infizierten" Bevölkerung. Die zweite Komponente des Zeitgeschehens, die sogenannte "katholische Reform", ist davon klar abzusetzen. Unter dieser sind alle Bemühungen der katholischen Seite zu verstehen, auf die kirchlichen Mißstände der Zeit wie auch auf die Herausforderung durch die Reformation mit angemessenen Reformmaßnahmen zu antworten. In der Regel sind Gegenreformation und katholische Reform eine gemeinsam auftretende Erscheinung. Die Beschäftigung mit der Bonner Geschichte des 16. Jahrhunderts zeigt aber, daß in dieser Region nicht von einem Nebeneinander, sondern von einer Nachzeitigkeit zu sprechen ist. Eine klare Epochengrenze markiert hier das Jahr 1595, in dem mit Ferdinand von Wittelsbach ein Mann die Regierung des Erzstifts Köln übernahm, der ganz und gar von den Idealen der katholischen Reform durchdrungen war. Folgerichtig schiebt sich in den Jahren bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges der Aspekt der katholischen Reform beherrschend in den Vordergrund der Konfessionsgeschichte des Bonner Raumes. Hier jedoch soll die Epo­che behandelt werden, die davor liegt. Gefragt werden soll nach den Handlungsspielräumen der Erzbischöfe, den Überlebensmöglich­keiten der protestantischen Gemeinden und nach den konkreten Er­scheinungsformen von Gegenreformation in Bonn und Umgebung.[1]

1. Die Absetzung Hermanns von Wied

Im Prado zu Madrid hängt ein berühmtes Bild von der Hand Ti­zians.Es zeigt den Habsburger Universalregenten und römischen Kai­ser Karl V. in der triumphierenden Pose des siegreichen Feldherrn. Hoch zu Roß, in goldener Rüstung und mit Lanze erscheint der Sie­ger der Schlacht zu Mühlberg wie die Inkarnation des heiligen Ge­org, der den protestantischen Lindwurm besiegt und in den Staub getreten hat. Kaum eine Darstellung wird dem Triumphgefühl der ka­tholischen Kräfte im Jahr 1547 mehr gerecht als dieses gemalte Reiterstandbild, in dem der Stolz der kaiserlichen Haltung die Überlegenheit der katholischen Waffen und damit auch der katholi­schen Religion  demonstriert.

Im Erzstift Köln, diesem kleinen, schmalen Uferstaat zwischen An­dernach und Linn, hatte man die drohende Wirkung der kaiserlichen Macht noch vor der Entscheidungsschlacht von Mühlberg zu spüren bekommen. Ohne einen einzigen Schuß war hier auf diplomatischen Druck der kaiserlichen Emmissäre hin die seit vier Jahren ange­strengte "Kölnische Reformation" des greisen Erzbischofs Hermann von Wied  in sich zusammengefallen. Keineswegs hatte sich im gan­zen Kölner Erzstift eine breite evangelische Bewegung in allen Schichten der Bevölkerung etabliert. Ohne fremde Einwirkung hätten die kurkölnischen Stände, d.h. Adel, Ritterschaft, Städte und ein Teil des Domkapitels, dem "alten Herrn" Hermann und seinem Refor­mator Martin Bucer weiterhin ihre Unterstützung gewährt. Trotz der im Jahre 1544 erfolgten Appellation der vom Domherren und be­rühmten Theologen Dr. Johann Gropper geführten altgläubig-katholi­schen Opposition an Kaiser und Papst sprachen die kölnischen Stände ihrem Erzbischof auf verschiedenen Landtagen ihr Vertrauen aus. Für die kleine altgläubige Partei war die Lage so verzwei­felt, daß Groppers Vertrauter Jodokus Hoetfilter am 30. März 1544 in einem Brief schrieb: Nos sumus in maiore periculo.[2] Die Si­tuation besserte sich für Gropper und seine Freunde auch nicht, als Papst Paul III. am 16. April 1546 die große Exkommunikation über Hermann von Wied aussprach. Dies gab zwar dem Kaiser die Ge­legenheit zu einer Absetzungserklärung, doch weder Exkommunikation noch Absetzungsbulle hatten irgendwelche praktischen Folgen für Hermann, und zwar um so weniger, als nunmehr eine ganze Reihe deutscher Fürsten, die wegen ihrer evangelischen Überzeugungen und ihrer auf Wahlkaisertum und Fürsten-„Libertät“ gerichteten Auffas­sungen sich im "Schmalkaldischen Bund" zusammengeschlossen hatten, die Waffen gegen ihren Kaiser ergriffen und sich seinem Anspruch auf katholische Universalmonarchie mit 57.000 Mann entgegenstell­ten. Hermann, der religiöse Fragen nicht mit Gewalt entscheiden wollte, blieb dem Bund fern und schickte weder Geld noch Solda­ten.[3] Auch jetzt blieben die Stände trotz der Nähe kaiserlicher Truppen ihrem Erzbischof treu und versagten sich den Verfügungen seiner Gegner. Erst der Verlauf des Krieges, in dem bis zum Winter 1546 der gewandte Moritz von Sachsen die kaiserliche Position ent­scheidend verstärken konnte, brachte die Entscheidung. Seine machtvolle Stellung ausspielend berief der Kaiser ultimativ die kurkölnischen Stände auf den 24. Januar 1547 in die Reichsstadt Köln ein, wo alle Vorkehrungen dazu getroffen worden waren, jeden Einfluß Hermanns und seiner Parteigänger auszuschalten und den zum Administrator ernannten Koadjutor Adolf von Schauenburg zu präsen­tieren.[4] Die Landtagsdeputierten überließen den kaiserlichen Ge­sandten keinesfalls kampflos das Feld, aber das Ende war trotzdem unvermeidlich. Am 31. Januar unterwarfen sie sich dem neuen Admi­nistrator. Hermann trat am 25. Februar von seinen Ämtern zurück und begab sich auf seine Güter. Die Reformation war gescheitert, die Gegenreformation konnte beginnen.

2. Die erste Phase der Gegenreformation

Eine der ersten gegenreformatorischen Maßnahmen war schon vor der Machtübernahme Adolfs in die Wege geleitet worden: Die Suspension der abtrünnigen Domkapitulare, die sich vom Kapitel abgespalten hatten und unter Führung des Domdechanten Heinrich von Stolberg nach Bonn übergesiedelt waren.[5] In der gleichen Weise, wie er diese häretischen und schismatischen Geistlichen an der Spitze der Kölner Kirche beseitigt hatte, wollte Adolf auch auf allen anderen Ebenen seiner Kirche die alten Zustände wiederherstellen. Das Di­lemma des neuen Oberhirten war allerdings das krasse Mißverhältnis zwischen gegenreformatorischem Anspruch und tatsächlicher politi­scher Macht. Einschreiten konnte der Administrator des Erzbistums nur dort, wo er als Territorialherr auch die weltliche Macht inne­hatte bzw. als Kirchenherr das Kollationsrecht ausübte. Der über­wiegende Teil der Kirchen im riesigen Erzbistum Köln lag aber auf Gebieten, in denen der Erzbischof weder Kollator noch Landesherr war. Die Rechtsgrundlage, auf die Adolf sich bei seiner Gegenre­formation berief - die von Karl V. verkündete "formula reformatio­nis"[6] - konnte nur da zur Geltung gebracht werden, wo der jewei­lige Machtinhaber zur Kooperation bereit war. Adolfs Bemühungen um die Entfernung evangelischer Prediger war deswegen nicht völlig er­gebnislos, aber es kam zu langen - bisweilen mehrjährigen - Verzö­gerungen, die dem gegenreformatorischen Vorgehen seinen Schwung nahmen. Die protestantischen Gemeinden bekamen so die Möglichkeit zu hinhaltendem Widerstand bzw. zu einem Überleben durch mehrfa­ches Verlagern der Gemeindezentren.

Bonn bietet für diese Entwicklung ein gutes Beispiel. Adolf zog am 10. Februar 1547 feierlich in seine Stadt ein, wobei er sich von 100 bewaffneten Reitern begleiten ließ. Am Hauptort der vorange­gangenen Reformation wollte er offensichtlich Stärke demonstrie­ren. Seine erste Anordnung betraf die Münsterkirche, in der er so­gleich demonstrativ eine Messe nach katholischem Ritus zelebrieren ließ.[7] Danach begab er sich zum Rathaus. Es war Adolf und allen Anwesenden wohl bewußt, daß der Rat der Stadt Bonn, wiewohl er das evangelische Bekenntnis nie als verbindlich vorgeschrieben hatte, zu den eifrigsten Unterstützern Hermanns auf den Landtagen gehört hatte. Adolf ließ sich von Bürgermeister, Schöffen und Gemeinde huldigen und einen Eid leisten:

"Anno 1547 den 10. februarii ... zuschen IX und X urhen fur mittag. Zu Bonne uff dem raithauß haben burgermeystere  scheffen rait und gentze gemeinde gleychfals r[everendissi]mo d[omi]no administratore als irrem landtzfursten und herrn huldt und eydt gethain, und mit uffgerichten fyngern geschworen und gelobt, seiner f. gn. und eim ehrwirdigen doemcapittel getrew und holdt und gehorsam zusein/ bestz zuwerben und argst zuwe­ren. Darnach haben burgermeister meinen gnedigsten herrn der stadt schlossel nach alter gewonheyt fuerpracht und uberlie­bert/ die sein f. gn. empfangen/ und inen anstundt nach kurzem bedencken wiedergeben lassen/ und damit bevolhen/ dieselbig also zubewayren/ das si davon seiner f. gn. rede und antwordt geben mugen."[8]

 

Formal war damit jede weitere Unterstützung Hermanns verhindert, da durch Eidesleistung und gleichzeitige Übergabe der Stadtschlüs­sel die Absetzung Hermanns samt ihrer Begründung anerkannt war. Die Eidesleistung beinhaltete zugleich eine Einschwörung auf das Domkapitel als de-facto-Mitregenten. Gerade diese Betonung der al­ten Rolle des Kapitels als Teil der Regierungsgewalt atmet in der Restaurationszeit nach dem Sturz Hermanns den Geist Groppers und der Priesterkanoniker. Es ist die gleiche Haltung, die auch in der Erweiterungsformel zur Erblandesvereinigung deutlich wird. Das Domkapitel soll als Garant der katholischen Religion und der alt­hergebrachten Verfassung des geistlichen Fürstentums vor aller Au­gen stehen. Diesem Zweck dient auch die Anbindung der einzelnen Amtmänner in ihrem Eid auf Adolf an die von dem Erzbischof be­schworene Wahlkapitulation.[9]

Das massive Auftreten Adolfs ist verständlich. Man darf nicht ver­gessen, daß am 10. Februar der "alte Herr" noch nicht in die Rück­trittsforderung eingewilligt hatte. Auch der Schmalkaldische Krieg war zu diesem Zeitpunkt noch nicht endgültig entschieden.[10] Eine Demonstration der Stärke war geboten, und die Ereignisse des 10. Februar liefert sie uns. Die Bonner Exponenten der Reformation, die Prediger Johann Meinertzhagen, Martin Faber und Johann Al­storf, der Buchdrucker Laurenz von der Mühlen, vermutlich aber auch weitere ortsbekannte Reformationsanhänger, hatten vor Ankunft des Administrators die Flucht ergriffen.[11] Von daher ist es zu verstehen, wenn Adolf dem Kaiser schon Ende Februar seine Genugtu­ung darüber ausdrückte, daß im kurkölnische Oberstift die schisma­tischen Prediger vertrieben worden seien[12] Doch dieser Erfolg war nur vordergründiger Natur. Auch wenn es kein evangelischer Prediger mehr wagen konnte, offen in der Stadt aufzutreten, so hieß das für diejenigen Bonner, die von der neuen Lehre ergriffen waren, noch lange nicht, daß sie zur alten Kirche zurückkehrten. Sie liefen vielmehr Sonntag für Sonntag an Duisdorf und Witterschlick vorbei nach Buschhoven, um in der dortigen Burg von lutherischen Predi­gern seelsorglich betreut zu werden. An Ostern 1547 (am 10. April, also genau zwei Monate nach Adolfs Einritt in Bonn), "sullen ... vill der underthanen uiß Bonne und sunst ... dahin sich verfügen unnd das abendmall uf der schismatischen weiß gehalten haben, das­selbig dann uns ... nit wenigh verdrossen", so schreibt der em­pörte Administrator an das Domkapitel.[13] In Buschhoven stand eine Burg der Kölner Erzbischöfe, die Hermann von Wied in der ersten Hälfte seiner Amtszeit ausgebaut und stets gerne bewohnt hatte. Hierhin hatte er 1543 Martin Bucer zum Auftakt seiner Reformation bestellt, und hierhin hatte er sich nach seinem Sturz von Brühl aus zurückgezogen, wobei er gleichzeitig einigen vertriebenen Pre­digern Schutz gewährte.[14] Obwohl Hermann also zwei Wochen vor Ostern in die Absetzung eingewilligt hatte, war er keineswegs be­reit, ohne weiteres die erzbischöfliche Burg zu räumen bzw. den evangelischen Gottesdienst einzustellen. Adolf sah sich nicht in einer Position, in der er mit der ärgerlichen Angelegenheit allein fertiggeworden wäre. Er mußte sich, nachdem er vergeblich mit Her­manns ehemaligem Kanzler Dr. Orphelius verhandelt hatte, hilfesu­chend an das Domkapitel wenden. Dort hatte nach der Säuberungs­aktion vom Jahresbeginn die Gropperfraktion die Kontrolle. Daher begrüßte das Kapitel die Gelegenheit, die Hilfestellung in der Buschhovener Sache mit einem Sechs-Punkte-Katalog zu verbinden, in dem der Administrator zu schärferem Vorgehen gegen die Häretiker ermahnt wurde. Wir erfahren aus diesem Schreiben, daß es drei Mo­nate nach der Kapitulation der kölnischen Stände nicht gelungen war, "die noch werende newerungh in sachen unser heiligen religion einmall gentzlich abschaffen" zu können.[15] Das wirft ein anderes Licht auf Adolfs Behauptung (in seinem oben erwähnten Brief an den Kaiser), er habe alle schismatischen Prediger im Oberstift ver­trieben. Die Anhängerschaft der neuen Lehre war tiefer verwurzelt, ihre Zurückdrängung mühseliger, als Adolf im Überschwang erster Erfolge angenommen hatte. Deutlich zeigt sich hier die Schwäche der Position des Landesfürsten. Die katastrophale Finanzlage der kurfürstlichen Kassen ließ zudem an eine Durchsetzung der gegenre­formatorischen Maßnahmen mit militärischen Mitteln gar nicht den­ken.[16]

Gemeinsam mit dem Domkapitel, dem wahren Machthaber dieser Tage, vermochte Adolf dennoch genügend diplomatischen Druck auf Buschho­ven auszuüben, um im Mai 1547 die evangelischen Prediger zum Fort­gehen zu bewegen. Doch was hatte er damit gewonnen? Sein Vorgehen zielte darauf, die  Bonner Anhängerschaft der Reformation von jed­weder Betreuung durch evangelische Prediger abzuschneiden. Die Bonner Neugläubigen fanden aber sogleich einen Ausweg: Sie fuhren nun an jedem Sonntag über den Rhein, wo in Küdinghoven und Ober­kassel ebenfalls evangelisch amtiert wurde.[17] Beide Kirchen, räum­lich viel näher an Bonn als Buschhoven, lagen auf dem Gebiet des Herzogs von Berg, und damit war für Adolf wie für das Domkapitel keine Möglichkeit des Einschreitens mehr gegeben. Das benachbarte Vilich allerdings war kurkölnisch. Hier konnte Adolf den Pfarrer Ludovicus, der zur Zeit Hermanns von Wied seinen Küdinghovener Amtsbruder mit dessen Haushälterin getraut hatte, wieder zur alten Kirche zurückbringen.[18] Die Vilicher Gemeinde jedoch, zumindest die Reformationsanhänger, konnte er nicht zwin­gen: Sie taten es den Bonnern gleich und zogen ebenfalls nach Kü­dinghoven.[19]

Innerhalb der Stadt Bonn war die Stellung des Administrators und seiner altgläubigen Anhänger kaum besser als auf dem flachen Land. Eine der gegenreformatorischen Maßnahmen war die Wiedererrichtung des unter Hermann von Wied aufgelösten Minoritenklosters in der Brüdergasse. Fast alle Mönche waren der Reformation gefolgt.[20] Nun wurden neue Minoriten nach Bonn geschickt. Nach Adolfs Entschei­dung wurde die Klosterkirche (die heutige Remigiuskirche) neu ge­weiht, weil sie durch die Beerdigung von "Ketzern" in ihrem Innern profaniert worden sei. Diese Maßnahme sollte mit der Exhumierung der Leichname verbunden werden. Das aber führte zu einer bedrohli­chen Stimmung in der Stadt, denn am 24. Juli 1547 ließ Adolf von einem Notar eine Urkunde aufsetzen, in der er bezüglich der Neu­weihe der Kirche ausdrücklich auf die Exhumierung der Ketzer ver­zichtete, da diese "nicht ohne großes Aufsehen beim Volke durchge­führt werden kann, und zu befürchten steht, daß Zusammenrottungen und Aufstände daraus entstehen können."[21] Die Sympathien für Her­manns Reformation waren also im Sommer 1547 in Bonn noch so groß, daß der Erzbischof in seiner eigenen Stadt Ruhe und Ordnung bei der Durchführung gegenreformatorischer Maßnahmen nicht garantieren konnte.

Die Zustände haben sich in den folgenden zwei Jahren nicht wesent­lich verändert. Gegenreformatorische Maßnahmen im Bonner Raum be­schränkten sich offensichtlich auf unmittelbares Eingreifen an solchen Orten, wo selbst die beschränkten Machtmittel des Kölner Kurfürsten noch erfolgreich waren. So konnte der ehemalige Bonner Minorit Georg Kuf (Kuiff) 1547 aus seiner Pfarrstelle in Niederba­chem verjagt werden, nur um danach als Pfarrer von Oberkassel in evangelischer Weise zu amtieren.[22] Unter den Pfarrern der Bonner Stadtpfarreien findet sich nur ein Fall, wo es möglicherweise zu einer Absetzung gekommen ist: Der Vikar Johann Gundersdorf, der Pfarrer an St. Gangolph war, taucht im Verzeichnis der Vikare am Altar Beatae Mariae in Crypta 1550 nicht mehr auf.[23] Da er aber schon 1520 als Vikar bezeugt ist, war er 1550 ein alter Mann, so daß ein Ausscheiden im Zusammenhang mit der Restauration unter Adolf von Schaumburg keineswegs selbstverständlich ist. Die Vikare Theodor Coci (Pfarrer von St. Martin) und Michael Ross (Pfarrer von St. Remigius) blieben jedenfalls über das Jahr 1550 hinaus im Amt.[24] Da die Kanoniker und Vikare von St. Cassius insgesamt beim Reformationsversuch Hermanns von Wied nur wenig in Erscheinung ge­treten sind, ist es nicht unwahrscheinlich, daß sie auch von den Maßnahmen der Gegenreformation oder gar von Inquisitionsverfahren verschont geblieben sind, die ihre Kölner Kanoniker-Kollegen be­drohten.[25] Den vornehmsten der Bonner Kanoniker traf der bischöf­liche Bannstrahl dennoch: Der Propst von St. Cassius und Archidia­kon von Bonn, Friedrich von Wied, wurde vom Sturz seines Bruders mitgerissen und mußte von seinem Amt weichen.[26] Ob diese gegenreformatorische Maßnahme aber ein Gewinn für die Reform der katholischen Kirche war, darf bezweifelt werden. Neuer Archi­diakon wurde nämlich der Bischof des Mailänder Suffraganbistums Acqui, Peter van der Vorst. Seine Ernennung hatte schon in den dreißiger Jahren stattgefunden, und zwar durch den damaligen Papst. Hermann von Wied und das Bonner Kapitel hatten dem 1537 an­gereisten Niederländer die Pfründe jedoch streitig gemacht und an ihrem Kandidaten Friedrich von Wied festgehalten.[27] Die Bestäti­gung der Wahl Peter Vorsts durch den Administrator Adolf war ein Rückfall in die Mißstände der spätmittelalterlichen Kirche, deren Praxis der Pfründenvergabe nach rein materiellen Gesichtspunkten von Reformatoren wie Reformkatholiken gleichermaßen bekämpft wurde. Vorstius war 1547 ein alter Mann, der aber dennoch von Kai­ser Karl V. mit Aufträgen in Flandern betraut wurde.[28] Man darf annehmen, daß er gar nicht dazu kam, in Bonn Residenz zu halten. Am 9. Dezember 1548 ist er gestorben. Nun erst, zwei volle Jahre nach der Absetzung Hermanns und der Verdrängung seines Neffen aus der Bonner Propstei, konnte die wichtige Stellung des Propstes von St. Cassius mit einem engagierten Verfechter der Gegenreformation und der katholischen Reform besetzt werden.  Man wählte keinen ge­ringeren als das Haupt der katholischen Partei im Kölner Domkapi­tel, den mittlerweile hochberühmten Dr. Johannes Gropper.

Gropper verzichtete für dieses Amt auf sein Kanonikat am Kölner Dom. Man hat das so interpretiert, daß Gropper sich aus der zen­tralen Stellung im Domkapitel zurückgezogen habe, um sich der praktischen Reformtätigkeit zu widmen.[29] Das ist jedoch keineswegs sicher. Im Vordergrund dürfte gestanden haben, daß das Amt des Propstes von St. Cassius eine der höchsten kirchlichen Würden war, die in der Erzdiözese Köln zu vergeben waren. Gropper war ein praktisch veranlagter Mann, der sich um seine finanziellen Inter­essen wohl zu kümmern wußte.[30] Doch wäre das kein Widerspruch dazu, in Gropper den "Retter der Bonner Kirche" (Maaßen) zu sehen. In der Tat wird Gropper in der wissenschaftlichen Literatur bis heute so dargestellt.[31] Von dieser "praktischen Reformtätigkeit" ist jedoch bei näherem Hinsehen nicht viel zu finden. Groppers Biograph Lipgens räumt ein: "Wir hören nicht viel von Groppers Werk", doch dennoch findet sich die Behauptung einer "musterhaften Seelsorgearbeit" im ganzen Großarchidiakonat[32]. Man muß dazu wis­sen, daß der Archidiakonat Bonn ein riesiges Gebiet darstellt, das von Malmedy im Westen bis Hachenburg im Osten reichte. Etwa 600 Pfarreien und Filialen, dazu etliche Klöster, Klausen und Stifte, waren zu betreuen, die  nur zu einem geringen Teil auf kurköl­nischem Gebiet lagen. De jure hatte der Bonner Archidiakon in die­sem ganzen Gebiet die Visitations- und Jurisdiktionsgewalt. De facto war seine Macht in allen Gebieten außerhalb Kurkölns an die Wechselfälle der Politik gebunden, welche  die jeweiligen Landes­herren einmal mehr, einmal weniger seinen Vorstellungen zugänglich machten. Gropper hat es bisweilen dennoch versucht. So erreichte er es durch mehrere mahnende Briefe, daß der Abt der Reichsabtei Siegburg 1550 (also drei Jahre nach dem Sturz Hermanns) endlich den lutherischen Prediger Peter von Mayen aus der Siegburger Stadtkirche vertrieb.[33] Insgesamt aber war Gropper mit anderen Dingen viel zu beschäftigt, als daß er sich ausführlich der Send­gerichtsbarkeit in seinem Archidiakonat hätte widmen können. Das soll keineswegs seine Leistung als katholischer Reformer schmä­lern. Im Gegenteil: Gerade weil Gropper mit der Ausarbeitung wei­terer Schriften zur Reform der Kirche beschäftigt war, lassen sich Visitationsreisen in den ersten Jahren seiner Bonner Zeit kaum vorstellen. Gropper war maßgeblich beteiligt an Vorbereitung und Durchführung der Diözesansynode von 1548 sowie der Provinzialsyn­ode von 1549, und er schuf die 1550 in Druck gegangene "formula visitandi", eine ausführliche Frageliste für die ins Auge gefaßte Generalvisitation der Kölner Erzdiözese.[34] Zu den schriftstelleri­schen Tätigkeiten kamen noch Funktionen wie die Beratung des Erz­bischofs, Gesandtschaften an den Hof von Jülich-Kleve-Berg sowie eine umfangreiche Korrespondenz, von der leider nur noch ein ge­ringer Teil erhalten ist.[35] Gropper war gerade in seiner Zeit als Bonner Propst außerordentlich engagiert und bemühte sich rastlos um das große Werk der katholischen Reform, doch seine Anstrengun­gen galten größeren Zielen als der praktischen Tätigkeit im klei­nen Bonn. Groppers Freund Petrus Canisius hat ihn dafür im Jahre 1557 hart kritisiert. Canisius zeigte sich schockiert über die re­ligiösen Verhältnisse, die er in Bonn antraf (schlecht ausgebil­dete Priester, Disziplinlosigkeit beim Gottesdienst, Verstoß gegen die Fastengebote etc.) und bat, man möge "dem ehrenwerten Propst von Bonn" die Bitte vortragen, er möge doch öfter bei der ihm übertragenen Kirche weilen, um "durch seine Autorität die Miß­stände in Stadt und Stift zu bessern".[36] Groppers Ansehen als Theologe und sein Einsatz für die katholische Reform ließen ihm aber nur selten Zeit für eine Anwesenheit in Bonn: 1551 und 1552 war er zusammen mit Adolf von Schauenburg auf dem Konzil von Tri­ent, und wegen der Frage der ihm verliehenen (und von ihm ausge­schlagenen) Kardinalswürde befand er sich von Mitte 1558 bis zu seinem Tod am 13. März 1559 in Rom.[37] Groppers Amtsführung als Propst von St. Cassius ist demnach keineswegs als beständiges Wir­ken für die Reform der Bonner kirchlichen Verhältnisse anzusehen. Da wir von Auswirkungen katholischer Reform an keiner anderen Stelle etwas hören, ist anzunehmen, daß es derlei auch nicht gab. Der Brief des Canisius zeigt dagegen, daß die Reformbedürftigkeit der Bonner Kirche weiterhin bestand.

Für die Gegenreformation und katholische Reform in der Erzdiözese Köln markiert Groppers Weggang nach Rom 1558 einen Wendepunkt. In den Jahren der Restauration nach 1547 hatten Gropper und Adolf von Schauenburg durch Ausweisung von Predigern und Suspendierung von neugläubigen Stiftskanonikern das äußere Erscheinungsbild der Kir­che in Kurköln (und nur dort!) rekatholisiert. Adolf jedoch war 1556 gestorben, ohne in seinen Plänen einer grundlegenden Reform der Kölner Kirche weitergekommen zu sein.[38] Sein Bruder Anton folgte ihm im Amt, doch auch er starb nach gerade zweijähriger Amtszeit 1558. Nun setzte sich die Partei im Domkapitel wieder durch, die 1547 durch Adolf III. entmachtet worden war. Sie wählte in Johann Gebhard von Mansfeld einen Mann zum Erzbischof, der kei­nerlei Interesse für die Ziele der Gegenreformation und katholi­schen Reform mehr erkennen ließ. Daß seine Wahl gegen den erbit­terten Widerstand des schließlich nach Rom ausweichenden Gropper geschah, kennzeichnet das vorläufige Scheitern der Reformpolitik schon nach einem Jahrzehnt.

3. Neue protestantische Bewegungen: Täufertum und Calvinismus

Die neun Jahre zwischen dem Tod des letzten Schaumburgers 1558 und der Wahl Salentins von Isenburg 1567 sind in Bezug auf Gegenrefor­mation und katholische Reform eine Zeit völliger Stagnation. Die Neubesetzung der Bonner Propstei wurde zwar in die Hände des gut katholisch gesinnten Kaspar Gropper gegeben, Neffe des 1559 ver­storbenen Reformtheologen und ganz dessen Richtung zugetan, doch war Kaspar Gropper zum Zeitpunkt der Pfründenvergabe in Rom, von wo er nur sporadisch und kurzzeitig an den Rhein zurückkehrte. Sein wichtigstes Anliegen, die Sicherung der hohen Einkünfte der Bonner Propstei, ließ sich auch von Italien aus regeln.[39] Die Wir­kung war entsprechend: In allen Bereichen, in denen der Archidia­kon Einflußmöglichkeiten auf die Gestaltung der kirchlichen Ver­hältnisse hatte, machten sich Häresien und Mißstände breit.[40]

In der Tat hatte die neugläubige Bewegung nach dem ersten Schock über das Scheitern Hermanns von Wied das katholische Machtvakuum zunehmend zu nutzen verstanden. Es waren allerdings nicht mehr die von Wittenberg inspirierten Kräfte der ersten Reformationswelle, sondern Bewegungen mit neuen geistigen Ausrichtungen, die sich in den Dörfern und Flecken des Rheinlandes Einfluß zu verschaffen wußten. Einmal war es das von Menno Simons geprägte Täufertum, zum anderen - beflügelt durch den Zuzug niederländischer Exulanten ab 1563 - die sogenannte "zweite Reformation" des Calvinismus. Der Kölner Gegenreformator Kaspar Ulenberg beklagt 1590 in seiner "Summari­schen Beschreibung eines ongefährlichen Gesprächs ...": "Der Lu­therischen sind nicht so fast viel; Etliche aber werden algemach angezogen von den Calvinisten; welche in grösser anzal vorhanden seind, den die Lutherischen; So nemen auch die Schweckfelder (sic) zu; Im gleichen mehren sich die Widerteuffer ..."[41]

Das Täufertum hatte sich am Niederrhein allmählich vom Schock der Niederwerfung des Münsteraner Gottesstaates erholt, an dem sich alle rheinischen Fürsten beteiligt hatten. Unter Menno Simons war es wieder erstarkt. Nach dem Sieg Karls V. über die Schmalkaldener und dem nachfolgenden Interim, das die lutherische Reformation entschieden gehemmt hatte, war es gegen Ende der 50er Jahre des 16. Jahrhunderts in die Lücke eingedrungen. Die Täufer verfochten konsequent die Trennung von der Universalkirche wie auch von der Religionshoheit der weltlichen Obrigkeit. Grundlagen ihres Be­kenntnisses waren die Bibel, straffe Gemeindezucht, Ablehnung des Kriegsdienstes und des Eidschwörens. Striktes Prinzip war der freiwillige Eintritt in die Kirche durch die Taufe des Erwachse­nen. Da im 16. Jahrhundert alle Mitglieder der Täuferkirche schon einmal als Kinder getauft worden waren, trug ihnen die Wiederho­lung der Taufe den irrtümlichen Namen "Wiedertäufer" ein. Vor al­lem in der Schicht  der umherschweifenden Handwerker  und der ein­fachen Bauern fand die Täuferbewegung ihre Anhänger. Das Zentrum der rheinischen Täuferbewegung war allerdings Köln. Hier wurde in der Nacht vom 22. auf den 23. Juni 1565 eine große Täuferversamm­lung entdeckt. Unter den Verhafteten befand sich  die Frau eines Bonner Vogtes, was zeigt, daß auch dort diese Lehre Eingang gefun­den hatte.[42] In den Bonner Berichten dieser Jahre werden keine Täufer erwähnt, wohl aber in den umliegenden Dörfern. Es gab sie vor allem auf der rechten Rheinseite, in Schwarzrheindorf, Vilich, Limperich, Küdinghoven, Ober- und Niederdollendorf, Oberkassel, Königswinter und Honnef.[43] Täufer fanden sich aber auch links des Rheines, etwa in Bornheim, Hersel, Graurheindorf, Urfeld, Erpel, Mehlem, Rüngsdorf, Rheinbach, Heimersheim (Ahr), Frauenberg, Gym­nich, Üdinghoven, Büttgen, Uerdingen, Kempen, Oedt, Hüls, Elsen, Deutz, Longerich oder Dorsten.[44]

Selten waren es mehr als ein oder zwei Familien, die sich dem Täu­fertum zugewandt hatten. Auf der rechten Rheinseite gegenüber Bonn allerdings war ihre Zahl stark genug, um, wie die Visitationspro­tokolle berichten, in Schwarzrheindorf und Oberdollendorf zu Bil­derstürmen zu führen. Das Täuferzentrum im Bonner Raum war wohl das Städtchen Königswinter. Dort soll es um 1569 40 Haushaltungen von Täufern gegeben haben, was bei einer Gesamtbevölkerung von ca. 500 Personen etwa ein Drittel ausmacht.[45] Sie unterhielten hier sogar eine eigene Schule. Einen täuferischen Schulmeister gab es allerdings auch in Rüngsdorf. Die Visitatoren des Kurfürsten Sa­lentin, die das alles feststellten (s.u.), gaben den Äbtissinnen der Stifte von Graurheindorf und Schwarzrheindorf sowie den Pfar­rern der betroffenen Gemeinden Maßregeln für den Umgang mit den - nach Reichsrecht vogelfreien - Täufern: "Daß die Pastöre die Wie­dertäufer und anderen Sektierer aus den Heiligen Schriften infor­mieren und lehren mögen, damit diese sich von ihren Irrtümern zu­rückziehen mögen; daß, wenn diese nicht gehorchen und hartnäckig in ihren Irrtümern verbleiben, sie diese der weltlichen Gewalt an­zeigen so daß sie durch diese zurechtgewiesen oder fortgeschafft werden, oder sie sollen den Herren [Visitations-] Kommissaren an­gezeigt werden, so daß Reverendissimus [d.i. der Kurfürst] berich­tet werde, damit nicht Katholische und Fromme vergiftet und ver­führt werden."[46]

Die Bevölkerung verhielt sich in der Regel den Täufern gegenüber indifferent. In Graurheindorf jedoch hatte es Streit gegeben, weil die konfessionellen Abweichler nach Aussage der Sendschöffen "mit den  Nachbarn nicht einmütig zusammenleben können." Auch in Mehlem gab es eine gewisse Beunruhigung, weil die Täuferhochburg Königs­winter direkt gegenüber lag. Beides deutet auf eine nicht unerheb­liche Missionstätigkeit der Täufer in den 60er Jahren des 16. Jahrhunderts hin.

Die Täufer waren eine in ihrer Lehre für das 16. Jahrhundert radi­kale Gemeinschaft, die durch ihre Ablehnung von Kriegsdienst, 

ihre Betonung strenger Zucht, vor allem aber in ihrer Ablehnung von autoritärer Glaubensauslegung den Widerspruch der Mächtigen aller Konfessionen hervorriefen. Sie fanden daher im Bonner Raum auch keinen Rückhalt an adeligen Grundherren, die mit ihrer Auto­rität das Überleben einer nichtkatholischen Gemeinde zu schützen wußten. Anders war das im Fall der neu aufkommenden calvinisti­schen Bewegung. Sie begann ebenfalls ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in den rheinischen Raum vorzudringen. In Siegburg etwa zeigte sich die Mehrheit der Bürgerschaft dem Calvinismus zu­geneigt, so daß der Rat es 1568 wagen konnte, einen erklärt neugläubigen Priester auf die Pfarrstelle zu berufen. Der Abt hatte dazu sein Einverständnis gegeben.[47] Im Bonner Raum finden wir erste Boten dieser neuen reformatorischen Bewegung seit 1567 in Vilich. Dort wurde die Pfarrstelle von einem Mann namens Georg Neheim versehen, der ein dezidierter Anhänger Calvins und das Rückgrat der aufkeimenden reformierten Bewegung in und um Bonn war. Trotz der Bemühungen der erzbischöflichen Visitatoren wollte er keinesfalls den Weg zurück zur alten Kirche gehen. Daher ver­ließ er 1569 Vilich und trat eine Predigerstelle in Oberwinter an. Ab 1580 wirkte er dort als Pfarrer. 1581 ist er an der Pest ge­storben.[48] Auch in anderen Gemeinden in und um Bonn hatten sich aber neugläubige Zirkel formiert. So gab es dem Calvinismus zunei­gende Leute (in der Sprache der Visitationsprotokolle dieser Jahre "haeresi suspecti") in Poppelsdorf, Muffendorf, St. Remigius in Bonn und Schwarzrheindorf . Diese Neugläubigen  bildeten keine ei­gene Gemienschaft, sondern wanderten an den Sonntagen zu Georg Ne­heim nach Vilich oder auf die andere Seite der Sieg nach Bergheim. Eigene Gemeinden bzw. Konventikel hatten sich neben Vilich und Bergheim auch in Oberkassel und Oberwinter gebildet. Darüber hinaus gab es, etwa in Graurheindorf, Dottendorf, Rüngsdorf  oder Plittersdorf, einige Leute, die an Ostern nicht wie vorgesehen zur Kommunion gingen, deren Zugehörigkeit zu den neuen Konfessionen der Reformierten oder Täufer aber entweder noch nicht sicher war (wie bei Friedrich Heckelschneider in Rüngsdorf) oder von ihnen selbst noch nicht vollzogen worden war (wie bei Magdalena Buchels in Plitters­dorf).[49]

4. Das Salentinische Zwischenspiel

Friedrich von Wied, der Neffe Hermanns und nicht identisch mit dem 1547 seines Amtes ent­hobene Bonner Stiftspropst, hatte in der Periode der Gleichgültigkeit nach dem Tod des zweiten Schaumburgers (1558) seinen Weg durch die Hierarchie des Kölner Domkapitels gemacht und war 1562 selbst zum neuen Erzbischof von Köln gewählt worden. Heimlicher Protestantis­mus oder doch zumindest das Ressentiment des angestammten Kölner Hochklerus gegen den Reformkatholizismus brachten ihn jedoch in eine persönliche Krise, als er 1567 aufgefordert wurde, den Eid auf die vom Trienter Konzil erneuerte römisch-katholische Kirche (die sog. professio fidei tridentina") abzulegen. Friedrich trat von seinem Amt zurück[50] und machte so den Weg frei für einen ener­gischen und entscheidungsfreudigen Verfechter der reformierten ka­tholischen Kirche: Den Grafen Salentin von Isenburg. Max Lossen nannte ihn "einen der tüchtigsten geistlichen Fürsten im Zeitalter der Gegenreformation und zudem einen der eigenartigsten und darum anziehendsten Charaktere seiner Zeit".[51] Salentin war zwar als zu­verlässig katholisch bekannt, doch entsprach er nach Art und Nei­gung keineswegs dem in Trient geschaffenen Bischofsideal des from­men und von priesterlichem Geist erfüllten Klerikers. Vielmehr er­klärte er schon vor seiner Wahl, daß er den Plan habe, den geist­lichen Stand zu verlassen und ein Kriegsmann zu werden. Außerdem war er sich der Verantwortung seiner Familie gegenüber bewußt, die seit dem Tod des unverheiratet gebliebenen älteren Bruders ohne Stammhalter war. Ganz offen verkündete Salentin daher seine Ab­sicht, nach einigen Jahren zum Zwecke der Heirat auf sein hohes geistliches Amt zu resignieren. Trotzdem hat das Domkapitel ihn gewählt, und trotzdem - d.h. trotz seiner untridentinischen Vorbe­dingung - wurde Salentin zum energischsten Förderer der katholi­schen Reform unter den Kölner Erzbischöfen des 16. Jahrhunderts.

Salentin war ein Pragmatiker. Er nahm die Politik Adolfs von Schaumburg wieder auf, nach der das vordringlichste Mittel zur Verbesserung der kirchlichen Verhältnisse die Visitation der Klö­ster, Stifte und Gemeinden war. Nach wie vor stand der Visitation des Erzbistums die Haltung Herzog Wilhelms von Jülich-Kleve-Berg gegenüber, der in seinem Territorium nur die eigene landesherrli­che Visitation gestatten wollte. Adolf war daran gescheitert, Sa­lentin jedoch hielt sich gar nicht erst mit dieser Weigerung auf. Er beschränkte die Visitationstätigkeit kurzerhand auf die Ge­biete, in denen er über tatsächliche Macht verfügte: Das Erzstift (also das Kurfürstentum) und die Klöster und Stifte der (sich ihm ansonsten verweigernden) Reichsstadt Köln.[52]

Die Protokolle dieser Visitation ergaben ein nicht sonderlich er­freuliches Bild der kirchlichen Verhältnisse von 1569.[53] Die Ver­breitung von Täufertum und Calvinismus wurde ja gerade schon be­handelt. Bezüglich der gegenreformatorischen Auswirkungen bzw. der Konsequenzen in Hinblick auf die katholische Reform ist das Ergeb­nis überraschend mager. Nur in ganz wenigen Fällen, etwa bei Georg Neheim in Vilich oder bei Gottfried Thurn (od. Turniß) in Zülpich, schritten die Kommissare tatsächlich ein. Ansonsten versuchten sie durch ihre Anordnungen, reformierend und korrigierend auf die Miß­stände einzuwirken. Der Erfolg muß jedoch bezweifelt werden. Die augenfälligsten Mißstände wurden beseitigt. Die unzuverlässigen und unfähigen Geistlichen jedoch, denen man nicht Häresie, sondern "nur" Unfähigkeit vorwerfen konnte, blieben im Amt, und auch die Disziplinlosigkeit und Nachlässigkeit der Stiftskanoniker blieb in aller Regel bestehen. Der 1569 nicht erschienene, dafür aber schwer belastete Peter Radius, Pfarrer von St. Gangolph, war 1582 nach wie vor im Amt.[54] Auch die Verhältnisse im Cassiusstift, die 1569 scharf gerügt worden waren, besserten sich nicht. Dem Pfarrer von St. Remigius, Albert Radius, stellte der Kölner Jesuit Johan­nes Rhetius 1574 auch kein gutes Zeugnis aus, denn er schrieb dem Nuntius und Bonner Propst Kaspar Gropper: "Wer sieht aber nicht, wie sehr in der Hauptpfarrei dieser Stadt ein Pastor nötig wäre, der ein Doktor der hl. Theologie oder wenigstens ein Licentiat dieser Fakultät ist."[55] Trotz Salentins martialischem Auftreten (Johann Gustav Droysen nannte ihn "eine soldatische Natur von pol­terndem Gebaren und derben, etwas nach der Wachtstube schmeckendem Witz")[56] standen ihm nach der Visitation nur geringe Machtmittel zur Verfügung, um eine Abstellung der Mißstände zu erzwingen. Die entscheidenden Mängel, schlechte Ausbildung und miserable materi­elle Ausstattung der Pfarrvikare, Pfründenhäufung und daraus fol­gende mangelnde Residenz der vornehmen Geistlichen, unzüchtiges Leben in den Stiften, Disziplinlosigkeit in den Klöstern, kurz, alle die schon seit dem Spätmittelalter beklagten Erscheinungsfor­men einer Kirche, deren Funktion für die meisten Kleriker in der Bereitstellung einträglicher Pfründen bestand, konnte Salentin nicht beheben. Nicht von ungefähr tauchen viele Vorwürfe, die wir aus der Visitation von 1569 kennen, einige Zeit später wieder auf. So rügte Salentins Nachfolger Gebhard Truchseß 1578 die Kanoniker von St. Cassius erneut wegen ihrer Lebensführung: "dannocht so khommen wir, nit ohne geringe unsers gemutz beschwerniß, in diese gewisse erfahrung, das etliche geistliche personen ... mennigli­chen zu schimpferlichen exempel ... mit ungepurlichen kleidungen, kurtzen menteln, zerschnitten hosen, sameten hudten, aufhaltung verdechtlicher personen, leistungh und anstellung allerhandt viel­fältiger gesellschaften und commessation, und sonst gegen cleri­cale geistliche zucht, ir leben unordentlich treiben und füren"[57]

Wenn er auch nicht nachhaltig für die katholische Reform wirken konnte, so war Salentin durch Unterbinden der "communio sub utra­que specie" und der Priesterehe doch ein Etappensieg in der Zu­rückdrängung der Protestanten gelungen. Die politische Entwicklung im nieder­ländisch-rheinischen Raum kam ihm dabei zu Hilfe. Seit 1566 näm­lich befanden sich die nördlichen Provinzen der habsbur­gischen (und somit seit 1556 spanischen) Niederlande im Aufstand gegen die spanische Krone. Dieser stark religiös motivierte Frei­heitskampf hatte seine unmittelbaren Auswirkungen auf die benach­barten Ge­biete. Zum einen strömten Flüchtlinge aus den umkämpften nieder­ländischen Städten - vor allem aus Antwerpen - ins Rheinland und brachten ihren reformierten Glauben mit, zum anderen übte das mächtige Spanien verstärkten Druck auf den Herzog von Jülich-Kleve-Berg aus, um diesen zu einer schärferen Gangart gegen die Protestanten in seinen Ländern zu bewegen.

5. Gemeinden "unter dem Kreuz"

Der härtere Kurs in der Religionspolitik der vereinigten Herzogtü­mer setzte gleichzeitig mit Salentins Visitationsanstrengungen ein.[58] Daher gab es für Neugläubige im schmalen Kurköln nun nicht mehr die Möglichkeit des Ausweichens ins stets nur wenige Kilome­ter entfernte Jülich bzw. Berg. 1572 schloß sich auch der Siegbur­ger Abt dieser Politik an und wies den reformierten Pfarrer Diet­rich Lipper aus.[59] Die reformierte Predigt verschwand so im Köln-Bonner Raum aus dem Blick der Öffentlichkeit. Doch gelang es den calvinistischen Gemeinden "unter dem Kreuz" sehr schnell, die här­tere Gangart der rheinischen Fürsten durch den Aufbau ihrer Syn­odalorganisation zu parieren. Die versprengten Protestanten in Bonn, Vilich, Bergheim, Lohmar, Siegburg, Honrath, Oberkassel, Kü­dinghoven und Honnef wurden in einem eigenen Quartier zu einem Be­zirkspresbyterium zusammengefaßt, das der Synode von Jülich-Kur­köln angehörte. Der Pastor hatte seinen Sitz im linksrheinischen Oberwinter, von wo aus er im Reisedienst die Sakramentsverwaltung und Verkündigung für den riesigen Bezirk übernahm.[60] Die Vilicher Gemeinde konnte so weiterexistieren. 1573 brachte sie bei den Ab­gaben an das Presbyterium zwei Drittel des Siegburger Satzes und doppelt so viel wie die Bonner Gemeinde auf. Der neue und zweifel­los katholisch amtierende Pfarrer hat aber offensichtlich die alt­gläubigen Kräfte in der Gemeinde mobilisieren können, denn die 1573 noch so reiche Vilicher reformierte Gemeinde mußte 1581 und 1584 von den Kölner Glaubensbrüdern unterstützt werden.[61] Ver­schwunden sind die Vilicher Protestanten im 16. Jahrhundert nicht.  

Neben Vilich hatten sich auf der rechten Rheinseite in zwei weite­ren Orten reformierte Gemeinden gebildet, in Bergheim an der Sieg und in Oberkassel. Rückhalt gewannen sie an reformierten Glaubens­flüchtlingen aus Frankreich.[62] Dritter Stützpunkt der Reformierten im Bonner Raum wurde das linksrheinische Oberwinter.

Neuen Auftrieb erhielten alle diese calvinistischen Gemeinden "un­ter dem Kreuz", als 1582 mit Gebhard Truchseß von Waldburg erneut ein Kölner Erzbischof das protestantische Bekenntnis freigab und zum Protestantismus überwechselte.

6. Gegenreformatorischer Terror

Gebhard Truchseß war 1577 auf Salentin von Isenburg gefolgt, der seine Ankündigung wahrgemacht und geheiratet hatte. Er hatte sich nur knapp gegen Ernst von Wittelsbach behauptet, der im Zuge der "bayerischen Bistumspolitik" den Weg an den Rhein gesucht hatte.[63] Gebhard selbst war in Religionsdingen bislang wenig auffällig ge­wesen. Bis zu seiner Verbindung mit der Reichsgräfin Agnes von Mansfeld im Jahre 1582, die das Land in den zerstörerischen "Köl­ner Krieg" führen sollte, hat er jedoch  an seiner katholischen Gesinnung keine Zweifel aufkommen lassen. Seine Freunde im Domkapitel fanden allerdings nichts dabei, sich öffentlich als Protestanten kenntlich zu machen und sogar den erzkatholischen Rat der Stadt Köln auf das Schärfste zu provozieren.[64]

Nach Gebhards Übertritt zum Protestantismus im Jahre 1582 konnten die Evangeli­schen in und um Bonn für kurze Zeit wieder an die Öf­fentlichkeit treten. Anders als bei Hermann von Wied fand Gebhard für seinen Reformationsversuch nur wenig Unterstützung. Mittler­weile hatten sich die Fronten zwischen den Konfessionen verhärtet. Die Bartholomäus­nacht einer Katharina von Medici, die Blutgerichte eines Herzogs von Alba, die Restauration der katholischen Kirche in England un­ter der "blutigen Maria" Tudor - alles das hatte das Klima gewalt­tätig werden lassen. Die bei der alten Kirche verhar­renden Kräfte im Erzstift waren  sofort bereit, die Waffen gegen ihren Landesherren zu erheben. Der in der Wahl unterlegene Ernst von Bayern wurde nun doch von der Mehrheit des Domkapitels zum Erzbischof erhoben. Mit päpstlichem Geld und bayerischen Truppen wurde Gebhard im nun folgenden "Kölnischen Krieg" schnell in die Flucht geschlagen. Gerade die von Anfang an von den Truchsessi­schen besetzte Stadt Bonn hatte in diesem Krieg viel auszuhalten. Auch die Godesburg fiel dem katholischen Ansturm zum Opfer: Die Bayern, die den steilen Berg nicht im Sturm nehmen konnten, sprengten kurzerhand die ganze Festung in die Luft. Die Kapitula­tion der Bonner Garnison folgte nur wenige Wochen später.   Nach dem katholischen Sieg zog Herzog Ernst von Bayern als neuer Lan­desherr in  Bonn ein wie ein Feldherr in eine besiegte Stadt. Von den Bewohnern hatte Geb­hard Truchseß nur noch die in der Stadt be­lassen, die einen Eid auf den Erzbischof geschworen hatten.[65] Sie wurden von Ernst be­handelt wie Feinde, 18 ihrer Wortführer als Landesverräter auf dem Bonner Marktplatz öffentlich gehenkt. Für die Anhänger der neuen Glaubensrichtungen  brach nach dieser vor­läufigen Beendigung des Kölner Krieges  eine Zeit an, die sich nicht mit derjenigen unter Adolf von Schaumburg messen konnte. Die Räte um Kurfürst Ernst, besonders der enge Berater Karl Billehe, und der zum "Blutrat" er­nannte Wilhelm von Hantzler, spürten heim­lichen Truchsessischen nach, wobei einige Bonner Bürger "scharpf underfragt worden sind, der auch theils daruff gestorben und den tod gelitten".[66] Die bei­den evangelischen Feldprediger, die zusam­men mit den Offizieren von den truchsessischen Truppen ausgelie­fert worden waren, wurden in den "Wolfsturm" gesperrt. Hier suchte sie ein gewisser Hierony­mus Michiels auf. Dieser Mann, ehemaliger Schultheiß von Antwer­pen, war schon bei der Niederwerfung des nie­derländischen Auf­stands als "grausamer Christenmörder" bekannt ge­worden. Ernst hatte ihn zum Generalprofoß des Lagers und des fla­chen Landes er­nannt. Michiels war es, der die beiden evangelischen Geistlichen, denen man nichts vorwerfen konnte, da sie mit den protestantischen Truppen gekommen waren, heimlich aus der Stadt schaffen und im Rhein ertränken ließ.[67] Michiels war es auch, der den Wirt Diet­rich Holtz aus dem Bonner Gasthaus "zum Groenenwald" immer weiter schikanierte, bedrohte und beraubte, bis dieser end­lich nach Köln fliehen konnte[68], und Michiels war es schließlich, der als Anfüh­rer der sogenannten "Roten Rotte" überall im Stift mit Gewalt, Er­pressung und Schikane die ständig neu aufgelegten Kriegssteuern aufbrachte. Sein Sündenregister war so lang, daß die souveräne Stadt Köln, als er einmal so unvorsichtig war, sich dorthin zu begeben, ihn sofort verhaften und wenig spä­ter, trotz aller Proteste des Kurfürsten, hinrichten ließ.[69]

Es ist anzunehmen, daß die  Terrorakte der "roten Rotte", die sich bisweilen gezielt gegen Protestanten richteten, der Grund dafür waren, daß die evangelischen Gemeinden auf der linken Rheinseite einfach verschwanden. Erst der Tod des Michiels beendete das Trei­ben. Dafür waren jetzt aber im Gefolge niederländischer Überfälle spanische Truppen ins Erzstift gezogen. Neben Neuß, Breisig und Andernach war auch Bonn 1587 besetzt und 1588 nach längerer Bela­gerung von den Spaniern freigekämpft worden. Für die kommenden Jahre war Bonn von einer spanischen Garnison besetzt. Die Bevölke­rung beschwerte sich umsonst über die Übergriffe der Söldner, weil der Kurfürst nicht das Geld hatte, um sie auszuzahlen und fortzu­schicken.[70] "Man ist mit schatzungh, raub, brant und mort bes­weirt" faßte der Kölner Patrizier Hermann von Weinsberg die Situa­tion dieser Jahre zusammen.[71]

Die Terrorakte der Soldateska zerstörten in diesen unruhigen Jah­ren zwischen 1583 und 1595 die Basis der meisten protestantischen Gemeinden auf kölnischem Gebiet. Im einstigen reformierten Zentrum Vilich gab es zwar immer noch einige "Ketzer", denn 1619 taucht in einem Vilicher Visitationsprotokoll die Bemerkung auf, einige Pfarrmitglieder gingen regelmäßig zu ketzerischen Versammlungen.[72] Doch schon als 1612 auf der Bergischen Provinzialsynode das alte Siegburger Quartier reorganisiert und in die Mülheimer Classis überführt wurde, war Vilich nicht mehr als Gemeinde aufgeführt. Am Vorgebirge konnten sich die Gemeinden von Metternich, Alfter oder Miel gar nicht mehr halten.[73] Die Großgemeinde Miel-Kuchen­heim-Müggenhausen löste sich nach 1584 ganz einfach aufe. Die ge­nannte Visitation von 1619 vermerkt im linksrheinischen Gebiet außerhalb Bonns keine Häretiker mehr. Die einzige Ausnahme ist die Aussage des Pfarrers von Dietkirchen über die "Dranstorffiani": Das ganze Dörfchen sei verdächtig und scheine die Anderen von der Frömmigkeit wegzuführen.[74]

7. Die Reste der Bonner reformierten Gemeinde

Die harte Haltung des Kurfürsten gegenüber seiner befreiten Stadt Bonn fand 1585 ihren Niederschlag in einer rigiden Polizeiordnung. Einen gegenreformatorischen Zug erhielt diese Verordnung dadurch, daß grundsätzlich nur Katholiken das Bürgerrecht erlangen konnten. Die im Jahre 1614 für ganz Kurköln ergangene Religionsordnung ver­sperrte Nichtkatholiken lediglich den Weg zu bürgerlichen Ämtern, weshalb sie als toleranter interpretiert worden ist.[75] Es ist aber so, daß Bürgerrecht und Aufenthaltsrecht nicht gleichzusetzen sind. Zu allen Zeiten hat es innerhalb Bonns eine kleine Gruppe von Protestanten gegeben. Das belegen die Konversionszahlen der Bonner Jesuitenchronik, die bis ins 18. Jahrhundert hinein Konver­sionen verzeichnen[76].

Die Bonner Protestanten wohnten im "Arme-Leute-Kirchspiel" St. Gangolph, wie die Visitation von 1619 zeigt. Dort wurden sie als kleine, unauffällige Minderheit geduldet, deren friedliche Missio­nierung durch die Jesuiten offensichtlich einer militanten Reka­tholisierungspolitik vorgezogen wurde. Allerdings erwartete man von den reformierten Bonnern, daß sie ihrerseits keine Versuche zur Missionierung ihrer katholischen Umwelt anstellten. Wo dies doch geschah, wie 1764 im Fall des Handschuhmachers Johann König, konnte der Pfarrer von St. Gangolph schon einmal ungemütlich wer­den.[77] Die stille Duldung einer kleinen reformierten Minderheit bedeutet nicht, daß in Bonn generell ein konfessionell toleranter Geist geherrscht hat. Das zeigt sich etwa daran, daß 1610 ein als Täufer identifizierter Mann verhaftet und mit der üblichen Alter­native Bekehrung oder Bestrafung konfrontiert worden ist.[78]

8. Der Übergang zur katholischen Reform

Der Terror der eigenen Truppen (z.B. das Massaker kurkölnischer söldner an einem Kölner Handelskonvoy bei Junkersdorf 1587), die erpresserischen Methoden der kurfürstlichen Beamten Billehe, Stor oder Micchiels, zuletzt auch die unbarmherzigen Kontributionen der im Land stehenden spanischen Regimenter schufen in den 80er Jahren des 16. Jahrhunderts eine Atmosphäre von Angst, Brutalität und Ge­walttätigkeit.[79] Im Land verwandelte sich das Murren über die ho­hen Steuern allmählich in blanken Haß gegen den "Würgeengel" Hie­ronymus Michiels, der seit Dezember 1585 als "Generalkommissar für die Kriegsangelegenheiten" offiziell mit dem Eintreiben von Steu­ern und Kontributionen betraut war. Auch nach seiner Hinrichtung 1588 wurden die Zustände nicht besser. Besonders die seit 1584 in Köln residierenden Nuntien sahen die Entwicklung mit Bestürzung, da die eklatante Finanznot mitsamt der daruas resultierenden ge­waltsamen Steuereintreibung, die allgemeine Unordnung und das zu­nehmende Mißtrauen gegen den Kurfürsten alle Kräfte banden, an­statt sie auf die dringend erfordeliche Reform der kirchlichen Verhältnisse zu werfen. Ein Teil des kurkölnischen Adels war auch nach dem Sieg über Gebhard Truchseß nach wie vor protestantisch gesinnt[80], und der Erfolg der  Gegenreformation, die bisher nur in unsystematischer militärischer Gewalt bestanden hatte, war ohne die Abstützung durch konstruktive Maßnahmen der katholischen Re­form erheblich gefährdet. Die Konsequenz dieser Situation war, daß 1595 - nach langen Verhandlungen - Ernst von Wittelsbach de facto die Regierungsgeschäfte im Erzstift sowie die Führung der Kölner Kirche an seinen erst 18jährigen Neffen Ferdinand abgab. Fer­dinands Regierungsübernahme wurde symptomatisch eingeleitet durch eine umfangreiche Polizeiordnung für das ganze Erzstift, die sich in scharfer Weise gegen die "Wiederteuffer", "Sacramentierer" und gegen "versamblungen und ungebuerliche rottungen" aussprach.[81] Ferdinand gelang es in kurzer Zeit, die repressive Gegenreformati­onspolitik seines Oheims in eine Politik des Wiederaufbaus der kirchlichen Verhältnisse umzuformen. Mit Visitationen, Diözesan­synoden, Förderung neuer Orden, breit angelegten Bemühungen um Ka­techese und Verkündigung vollzog er den Wechsel zur katholischen Reform. So liegt es nicht zuletzt an der unterschiedlichen Persön­lichkeit der beiden ersten Erzbischöfe aus dem Hause Wittelsbach, daß aus dem Nebeneinander von Gegenreformation und katholischer Reform im Erzstift Köln ein Nacheinander wurde.

Fazit

Die Gegenreformation im Bonner Raum zeigt sich zwischen 1547 und 1595 weder als kontinuierliches noch als planmäßiges Phänomen. Eine Kontinuität findet sich nicht, weil durch den häufigen Regierungs­wechsel an der Spitze des geistlichen Fürstentums die antiprote­stantische Linie eines Adolf von Schaumburg nicht durch­gehalten wurde. So kam es zu einem steten Wechsel von militanter Unterdrüc­kung und indifferentem laissez-faire. Dieses An- und Ab­schwellen der kirchlich-staatlichen Unterdrückungsbestrebungen be­günstigte die Ausbreitung der protestantischen Bekenntnisses, vor allem die Verbreitung des Calvinismus und des Täufertums. Von ent­scheidender Bedeutung für das Überleben der protestantischen Grup­pen war der begrenzte Handlungsspielraum der Erzbischöfe. Nicht einmal der en­ergische Salentin von Isenburg besaß die nötigen Machtmittel, um den Protestantismus in seinem Territorium voll­ständig zu verdrän­gen. Die zur erfolgreichen Gegenreformation und zur Konfessionali­sierung seines Landes notwendige straffe Kon­trolle der kurköl­nischen Untertanen ließ sich gegen die struktu­rellen  Widerstände des Kollationsrechts, der landständischen Freiheiten und der fi­nanziellen Immobilität des Erzstifts wie auch gegen die personel­len Widerstände eines gegenüber  konfessionellen Fragen weitgehend indifferenten hohen und niederen Klerus nicht aufbauen. Der Unter­grundorganisation der reformierten Synoden und der nächtlichen Täuferkonvertikel war daher nicht erfolgreich zu begegnen. Erst das Auftreten fremder Mächte veränderte die Situa­tion. Während die auf spanischen Druck hin erfolgte Gegenreforma­tionswelle der 60er Jahre die reformierten Gemeinden lediglich in den Untergrund ge­drängt hatte, sorgte die unmittelbare Interven­tion erst der baye­rischen und dann der spanischen Truppen durch massiven Terror in den 80er Jahren für eine wirkungsvolle Zer­schlagung der reformier­ten und täuferischen Gemeinden im kurköl­nischen Oberstift. Die Söldner handelten dabei im Einverständnis mit dem Wittelsbacher Erzbischof, dessen jesuitisch geprägte Men­talität keinen Platz für die Idee einer bikonfessionellen Lösung ließ. Anders als in Jülich und Berg im 17. Jahrhundert ließ der relativ geringe Anteil der Protestanten an der kurkölnischen Be­völkerung eine tolerante Lö­sung auch aus Gründen der Staatsraison nicht notwendig erscheinen. Dennoch findet sich für den hier un­tersuchten Raum kein Hinweis auf eine planmäßig erfolgte Häretiker­inquisition. Weder Jesuiten noch Dominikaner waren in die Ausschreitungen gegen Protestanten eingebunden. Keine Visitation fand statt, um die Katholiken zu kontrollieren und die heimlichen Protestanten zu identifizieren. Die Übergriffe der Soldaten haben den Charakter des Spontanen, wiewohl der Billigung durch die Obrigkeit sicher wußten. Trotz des Fehlens einer planmäßigen In­quisition reichte die drohende Präsenz des Militärs in dieser Zeit der Willkürherrschaft und der bestän­digen Kriegshändel aus, um die protestantischen Gemeinden zu ent­mutigen. Dieser Umstand bereitete den Boden für die restaurativen Maßnahmen der katholischen Reform, die etwa ab der Jahrhundert­wende im Erzstift einsetzten. Davon je­doch soll an anderer Stelle gehandelt werden.

 


erschienen in: Bonner Geschichtsblätter,

[1] Herrn Prof. Dr. J.F. G. Goeters, Bonn, danke ich für seine Bereitschaft zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Manu-skript. Für seine Anregungen bin ich ihm sehr verbunden.

[2] zitiert nach Walter Lipgens, Kardinal Johannes Gropper und die Anfänge der katholischen Reform in Deutschland, Münster 1951, S. 151.

[3] s. Conrad Varrentrapp, Hermann von Wied und sein Reforma-tionsversuch in Köln. Ein Beitrag zur Deutschen Reforma-tionsgeschichte, Leipzig 1878. Im Calendar of State Papers, 11, 259, befindet sich der von Varrentrapp, S. 270, A 1, zitierte Bericht an Heinrich VIII., aus dem hervorgeht, daß Her­mann sowohl den Schmalkaldenern Truppenhilfe versagte als auch seinen Un­tertanen befahl, die durchziehenden kaiserlichen Truppen gut zu behandeln.

[4] Varrentrapp, S. 272 f.; Ernennung Adolfs in der päpstlichen Absetzungsbulle vom 3. Juli 1546, abgedruckt bei Theodor Wilhelm Lacomblet, Niederrheini­sches Urkundenbuch, Bd. 4, Düsseldorf 1858, S. 691. Zu Adolf s. auch Robert Haaß, Art. "Adolf von Schauenburg", in NDB, Bd. 1, Sp. 83 f.

[5] Vgl. Varrentrapp, S. 258

[6] s. dazu Hans Foerster, Reformbestrebungen Adolf III. von Schauenburg in der Kölner Kirchenprovinz, Münster 1925

[7] Joseph Niessen, Geschichte der Stadt Bonn, Bd. 1, Bonn 1956, S. 220

[8] Hauptstaatsarchiv Düsseldorf (HSAD), Kurköln II, Nr. 5164, fol. 6

[9] Die Eidesformel für die Amtmänner findet sich im HSAD, Kurköln II, Nr. 5164, Blatt 9

[10] Nachrichten über militärische Erfolge des Kaisers erhielt Adolf von Gropper am 14. Februar (frühestens), s. Reinhard Braunisch, Johannes Gropper. Briefwechsel,Bd. 1. (1529-1547), Münster 1977, Nr. 167

[11] Albert Piel, Geschichte des ältesten Bonner Buchdrucks, Bonn 1924, äußert auf S. 19 f.  den Verdacht, Mühlen habe sich bis 1550 noch in Bonn aufge­halten, weil die älteste bekannte Ausgabe des "Bonnischen Gesangbuchs" von 1550 den Druckort Bonn aufweist. Das ist jedoch ganz und gar unwahrschein­lich. Zudem hat Gerhard Bork, Die Melodien des Bonner Gesangbuchs in seinen Ausgaben zwischen 1550 und 1650, Köln 1955, die Vermutung geäußert, daß diese Ausgabe gar nicht in Bonn gedruckt wurde. Die von Piel, S. 21, selbst zitierte Eintragung aus den Kölner Ratsprotokollen, Laurenz von der Mühlen sei aus Bonn "der Lutterei halber verdrewen" worden (1550, Dez. 8) kann sich nur auf das Jahr 1547 beziehen

[12] "...demnach soll Eurer keyserliche Maiestät ich ferner nit ber­gen, das mich folgendts uss Colln gen Bruell, Bonne und Ander­nach erheben, daeselbst und sonst auch allenthalben im ober­stifft ... die schismatische predicanten abgestelt ..." (1547, Feb. 24) HSAD Kurköln II, Nr. 5162, Blatt 6

[13] HSAD, Kurköln II, Nr. 5165. Vgl. Lipgens, S. 177; Foerster, S. 14

[14] Das entnehme ich dem schon zitierten Brief Adolfs, wo Adolf beklagt, "das wir fur dem ostern in erfahrungh kommen, wie unser furfar der verlauffen predicandten etlich bei sich zu Buschoven haben solle".

[15] HSAD, Kurköln VIII, Nr. 535/7, 1547, April 30

[16] Gustav Wolf, Aus Kurköln im 16. Jahrhundert, Berlin 1905, S. 38 f.

[17] s. die Visitationsberichte bei Otto Reinhard Redlich, Jülich-Bergische Kir­chenpolitik, Bd. 2, S. 163-167, 170-174

[18] Nach Ansicht von J.F.G. Goeters, Bonn, besteht allerdings auch die Möglichkeit, daß Ludwig aus seinem Amt entfernt worden ist. Eine genaue Feststellung war bisher nicht möglich.

[19] ebd., S. 165: Die Küdinghovener Sendschöffen berichten, daß "die von Vy­lick gemeinlich auf son- und festtagen dahin mit ganzen rotten komen und hoeren predigen". S. Redlich II/2, S. 165; vgl. Redlich I, S. 332.

[20] Von zwei verbleibenden Minoriten berichtet eine Notiz bei Redlich II/2, S. 174, die zeigt, daß auch bei den Minoriten nicht Einhelligkeit geherrscht hat. Der eine der beiden genannten Mönche, Johann Mentgen, wurde nach der Restauration zum neuen Guardian ernannt.

[21] Notariatsinstrument über die Rehabilitierung des durch Ketzerei geschände­ten Minoritenkonvents. 1547, Juli 24. HSAD, Bonn-Minoriten U 36/37. In der Übersetzung folge ich Josef Niessen, Geschichte der Stadt Bonn, Bd. 1, Bonn 1955, S. 221.

[22] Redlich II/2, S. 173.

[23] Dietrich Höroldt, Das Stift St. Cassius zu Bonn von den Anfängen der Kirche  bis zum Jahre 1580, Bonn 1957, S. 306, 341.

[24] ebd., S. 315, 342

[25] Zur Inquisition in Köln s. Braunisch, Briefwechsel, Nr. 147 (S. 178, A. 51), Nr. 153 (S. 398), Nr. 154 (S. 402)

[26] Es ist dabei keineswegs sicher, daß Friedrich von Wied die protestantischen Neigungen seines Bruders teilte. Man darf die Absetzung Friedrichs wohl in erster Linie als politische Aktion verstehen.

[27] Höroldt, S. 212. Zu Peter von Vorst-Lombeck s. auch Pierre Francois Xavier de Ram, Nonciature de Pierre Vander Vorst d'Anvers, Eveque d'Aqui, en Alle­magne et dans les Pays-Bas en 1536 et 1537, Brüssel 1839 (= Nouveaux Memoi­res de L'academie Royale des Sciences et Belles-Lettres, T. XII)

[28] Carl Eubel, Hierarchia Catholica Medii Aevi, Bd. 3, Münster 1823, S. 113

[29] Lipgens, S. 177; August Franzen, Die Kölner Archidiakonate in vor- und nachtridentinscher Zeit, Münster 1953, S. 83.

[30] Gerade seine Bonner Zeit zeigt das. Vgl. Höroldt, St. Cassius, S. 145-14

[31] German Hubert Christian Maaßen, Geschichte des Dekanates Bonn, Bd. 1, Köln 1894, S. 57; Victor Burr, Ein Brief des hl. Petrus Canisius aus Bonn, in: ANrh 154 (1955), S. 87; Niessen, Geschichte der Stadt Bonn, S. 221; zuletzt noch Reinhard Braunisch, Art. "Johann Gropper" in: Theologische Realenzykl­pädie, Bd. 14, 1985, S. 268.

[32] Franzen, Archidiakonate, S. 83, schreibt zu Gropper: "Er leistete in seinem Archidiakonate eine so musterhafte Seelsorgearbeit, daß der Erzbischof die­sen bald als den 'fortgeschrittensten in der katholischen Reform' bezeich­nen konnte." Franzen beruft sich dabei auf Lipgens, S. 177, wo steht: "Wir hören nicht viel von Groppers Wirken, aber wir sehen seinen erstaunlichen Erfolg: Adolf von Schauenburg kann dem Kaiser bald berichten, daß der Bon­ner Archidiakonat am fortgeschrittensten in der katholischen Reform sei." Lipgens wiederum verweist als Quellenbeleg auf Foerster, S. 58. Dort aber endet die Spur, denn weder dort noch an anderer Stelle läßt sich bei Foer­ster diese sachlich ohnehin höchst dubiose Aussage über den Bonner Archi­diakonat finden. Der bei Foerster auf S. 13 genannte Brief Adolfs an den Kaiser spricht erstens nur von Erfolgen im Oberstift und hat zweitens mit Gropper nicht das geringste zu tun (zu diesem Brief s.u.).

[33] vgl. Hermann Kelm, Reformatorische Bewegungen in und um Siegburg, in: Hei­matbuch der Stadt Siegburg, Bd. 2, Siegburg 1967, S. 197-264, hier S. 205 f.

[34] Der eigentliche Titel lautet: "Forma iuxta quam in visitatione cleri et po­puli civitatis dioecesis Coloniensis, inquisito, secundum ecclesiarum, mo­nasteriorum, ordinum, personarum et locorum diversa conditiones ac ratio­nes, institui vel fieri debeat". Ein sehr schöner Druck befindet sich im StadtA Köln, Geistliche Sachen, außerdem ist die "Forma" abgedruckt in den "Statuta seu decreta provincialium et dioeasanarum synodorum sanctae eccle­siae Coloniensis ...", Köln 1554, S. 470-505. Es handelt sich dabei, trotz der großen Präzision der Fragen, um eine in der Gelehrtensprache entstan­dene systematische Abfrage aller vom Protestantismus gefährdeten Bereiche der altgläubigen Orthodoxie, nicht aber um ein aus der Pra­xis erwachsenes Interrogatorium archidiakonaler Visitationen. Vgl. dazu Thomas P. Becker, Konfessionalisierung in Kurköln, Bonn 1989, S. 4-29; Franzen, Archidiakonate, S. 83, behauptet zwar das Gegenteil, bleibt aber den Beweis schuldig. Sein Verweis auf Foerster, S. 59, führt nicht weiter.

[35] Braunisch, S. 29. Es ist sehr bedauerlich, daß Braunisch seinen 1977 ange­kündigten 2. Band des Gropperschen Briefwechsels, der die Bonner Zeit um­faßt, bisher nicht publiziert hat. Ein endgültiges Urteil über Groppers Tä­tigkeit als Bonner Archidiakon wird sich wohl erst dann fällen lassen.

[36] Viktor Burr, Ein Brief des hl. Petrus Canisius aus Bonn, in: ANrh 157 (1955), S. 84-97, hier S. 85.

[37] Lipgens, S. 203-216

[38] Die Reformpläne Adolfs III., besonders seine Bemühungen um die große Visi­tation seines Sprengels, finden hier keine Berücksichtigung, da sie für die kirchliche Entwicklung Bonns keinerlei Auswirkungen hatten. Vgl. zu ihnen Foerster, passim; Franzen, Archidiakonate, S. 81-111; ders., Die Visitati­onsprotokolle der ersten nachtridentinischen Visitation in Köln unter Sa­lentin von Isenburg im Jahre 1569, Münster 1960, S. 21-48

[39] Zum Ganzen s. Christian Grebner, Kaspar Gropper und Nikolaus Elgard. Bio­graphie und Reformtätigkeit, Münster 1981, S. 110-113

[40] "Prepositus deberet diligentius defendere iura prepositure. Synodos per suos subinde negliguntur, quare hereses in suis parochiis succrescunt." Visitationsprotokoll St. Cassius, Bonn, 1569, Juni 20. Abgedruckt bei August  Franzen (Hrsg.), Die Visitationsprotokolle der ersten nachtridentinischen Visitation im Erzstift Köln unter Salentin von Isenburg, Münster 1960, S. 172; in entspre­chender Weise äußerte sich der Kölner Jesuit Johannes Rhetius 1574 über die Bonner Zustände. Vgl. Josef Hansen, Rheinische Akten zur Geschichte des Je­suitenordens, Bonn 1896, S. 688, A. 1

[41] "Summarische Beschreibung eines ongefährlichen Gesprächs, das zu Cöln zwi­schen Casparo Ulenbergio, einem Catholischen Priester, vnd Ioanne Badio von Rödingen, einem Caluinischen Predikanten ... gehalten worden", Köln 1590, S. 18. Zit. nach Walter Hollweg-Gildehaus, Der Stand der Konfessionen in Cöln im Jahre 1590, in: MhRhKG 4 (1910), S. 31. Zu Ulenberg s. Joseph Solz­bacher, Kaspar Ulenberg. Eine Priestergestalt aus der Zeit der Gegenrefor­mation in Köln, Münster 1948. Der Einfluß der Calvinisten war durch die niederländischen Exulanten seit dem Ende der 60er Jahre beträchtlich ge­wachsen. Um 1570 war die Täufergefahr im Verhältnis noch wesentlich höher einzuschätzen als um 1590.

 

[42] Leonhard Ennen, Geschichte der Stadt Köln, Bd. 4, Köln 1875, S. 816 f.; vgl. HSAD, Kurköln II, Nr. 3532 (Korrespondenz des Kf. mit dem Grafen von Neuenahr  betreffend [u.a.] die Ausweisung von Wiedertäufern aus der Erb­vogtei, 1563-1598.

[43] Zu Limperich s. August Franzen, Die Herausbildung des Konfessionsbewußts­eins am Niederrhein im 16. Jahrhundert, in: ANrh 158 (1956), S. 164-209; zu Vilich, Schwarzrheindorf und Königswinter s. Franzen, Protokolle, S. 189, 191, 212; zu den anderen Gemeinden s. Rentrop, S. 18 f.

[44] Alle Angaben nach Visitationsprotokollen von 1569; vgl. Franzen, Proto­kolle. Zum rechtsrheinischen Täufertum vgl. den Aufsatz von Walther Risler, Täufer im bergischen Amt Löwenburg/Siebengebirge, in: Mennonitische Ge­schichtsblätter 12 (1955), S. 6-21 und 13 (1956), S. 31-46.

[45] Die Angabe stammt aus dem Visitationsprotokoll von Mehlem 1569, s. Franzen, Protokolle, S. 206.

[46] Franzen, Protokolle, S. 213. Nach dem Reichtagsabschied von 1551 waren alle Täufer, "die aus diesem mutwilligen, verführerigen und aufrührigen irrsal und sect, den oberkeiten nicht huldigen und schwören oder gar kein oberkeit erkennen wöllen, vom natürlichen leben zum tod mit feur, schwerd oder der­gleichen nach gelegenheit der person ohne vorhergehende der geistlichen richter inquisition" zu richten. Zit. nach Richard van Dülmen, Die Entste­hung des neuzeitlichen Europa, Frankfurt 1982, S. 248. Die im Rheinland ge­bräuchliche Verfolgungs-praxis, die Bekehrung und bei Uneinsichtigkeit Ab­schiebung in den Vordergrund stellte, hebt sich wohltuend von dieser stren­gen Regelung des Reichsrechts ab. Sie geht auf den Einfluß Hermanns von Wied zurück. Vgl. J.F. Gerhard Goeters, Die Rolle des Täufertums in der Re­formationsgeschichte des Niederrheins, in: RhVjbll 24 (1959), S. 217-236, hier S. 233 f. Vgl. auch Hans H. Th. Stiasny, Die strafrechtliche Verfolgung der Täufer in der freien Reichsstadt Köln, Münster 1962.

[47] Hermann Kelm, Reformatorische Bewegungen in und um Siegburg, S. 197-264.

[48] Hermann Kelm, Anfänge evangelischen Glaubens in Oberwinter, in: MhEvKGRh 5 (1956), S. 4-15, hier S. 15.

[49] Alle Angaben nach Franzen, Protokolle.

[50] Max Lossen, Geschichte des Kölnischen Krieges, Bd. 1, S. 112; Wolf, S. 173 ff.; L. Ennen, Art. Friedrich von Wied, ADB VII, S. 543-547, hier S. 544.

[51] Max Lossen, Art. "Salentin von Isenburg", in: ADB XXX, S. 216-224, hier S. 216. Zu Salentin s. auch Karl Heinrich Graff, Der Kölner Kurfürst Salentin von Isenburg, Köln 1937.

[52] Zur Geschichte der Salentinischen Visitation s. Franzen, Protokolle, S. 63-83.

[53] Vgl. dazu die Auswertung bei August Franzen, Die Herausbildung des Konfes­sionsbewußtseins am Niederrhein, in: ANrh 158 (1956), S. 164-209.

[54] Petrus Radius, Pastor zu St. Gangolph, Mavis Schneider und Peter Francisci verkaufen als Kuratoren des Kindes von Albert Radius ihre in Radevormwald gelegene Erbschaft. 1582. StA Bonn, Slg. de Claer, Kopien Bd. 9.

[55] Vgl. Hansen, Jesuitenakten, S. 688, A. 1. Nach der Erwähnung des"Kindes von Albert Radius" (s.letzte Fußnote) muß man annehmen, daß der Pfarrer nicht nur ungelehrt, sondern außerdem noch Konkubinarier war.

[56] Johann Gustav Droysen, Geschichte der Gegenreformation, Berlin 1893, S. 277

[57] Maaßen, Bonn I, S. 61.

[58] Vgl. dazu Otto R. Redlich, Das Vorgehen der jülich-clevischen Regierung ge­gen reformierte Predigt und Bilderstürmerei in den Jahren 1564 bis 1567, in ZBerg GV 47 (1914), S. 190-207

[59] Der Herzog von Berg war der Vogt der Siegburger Abtei. Selbst wenn in kirchlichen Dingen der Abt autonom war, legt die zeitliche Übereinstimmung der gegenreformatorischen Maßnahmen doch eine Einwirkung seitens der Düs­seldorfer Regierung nahe. Zu Siegburg s. Kelm, Reformatorische Bewegungen in und um Siegburg, S. 216-221

[60] J.F.Gerhard Goeters, Vilich in der Zeit der Reformation und der Gegenrefor­mation, in: 10 Jahre evangelische Kirchengemeinde Bonn-Holzlar, Bonn-Holz­lar (Selbstverlag) 1982, S. 5-9.

[61] "Die diaconi sollen dem diener und eltisten der gemein bei Bon uber im Bergssenland sehs thaler fur die armen ihrer gemein zusenden." 1581, Okt. 23; "Den armen in der gemein zu Vyllich und dairumb her sollen uss der ar­men cassen 14 daller gegeben werden und seind dairuber 6 thaller von den consistorialpersonen gegeben worden, dass es zusammen seind 20 thaller." 1584, Dez. 12. Siehe Eduard Simons, Kölnische Konsistorialbeschlüsse. Pro­tokolle der Heimlichen Kölnischen Gemeinde 1572-1596, Bonn 1905.

[62] Adolf Hombitzer, aus der Vorgeschichte und Geschichte Oberkassels und sei­ner Umgebung, Oberkassel o.O. (1960), S. 60. Auf diese Hugenotten weist auch ein Satz im Visitaionsprotokoll von Vilich 1619 hin: "Multi Galli et alii absque sacramentis ... obierunt". Archiv der Erzdiözese Köln (AEK), Dec. Bur. Gene­ralia 1.

[63] S. dazu Günther von Lojewski, Bayerns Weg nach Köln, Bonn 1962.

[64] Vgl. etwa Peter Bockmühl, Ante portas. Zwei Beiträge zu den Feldpredigten, die vor den Toren Cölns 1567 und 1582 gehalten worden sind, in: Theol.Arb. des Rhein. wissensch. Predigervereins N.F. 12 (1910), S.27-43.

[65] Niessen, Geschichte der Stadt Bonn, S. 236

[66] Bericht des Dietrich Holtz, s.u. Anm. 68.

[67] Einer von ihnen konnte sich befreien. Er hat sich gerettet und die ganze Angelegenheit später publik gemacht. Vgl. Albrecht Wolters, Ein Blatt aus der Geschichte des Truchsessischen Krieges, Bonn 1872.

[68] Holtz hat über seine Behandlung einen Bericht hinterlassen, der von Richard Pick unter dem Titel "Ein Actenstück aus der Zeit der Truchseßischen Wir­ren" in den ANrh 25 (1873), S. 257-265, abgedruckt worden ist. Michiels habe ihm das Todesurteil des "Blutrates" Wilhem von Hantzler mit den Worten verkündet: "Ja well, Derick, ... seide ghy onschuldig, deste eher kompt de Seel by Gott, wilde ghy bichten, dat mögt ghy doen."

[69] Die Geschichte des Hieronymus Michiels ist am besten widergegeben in dem wichtigen Aufsatz von J. M. Ruetz über "die Finanzzustände im Erzstift Köln während der er­sten Regierungsjahre des Kurfürsten Ernst von Bayern, 1584-1588", in: ANrh 72 (1901), S. 1-88.

[70] Niessen, Geschichte der Stadt Bonn, S. 267 f.

[71] Buch Weinsberg IV, S. 36

[72] AEK, Dec. Bur. Generalia 1.

[73] Hermann Kelm, Evangelisceh Diaspora am Vorgebirge, Bornheim 1951; zu Miel s. auch Josef Hansen, Rheinische Akten zur Geschichte des Jesuitenordens, Bonn 1896, S. 565 f.

[74] "villicum ibidem esse suspectum videtur et alios a devotione subducere". AEK, Dec. Bur. Generalia 1.

[75] Josef Niessen, Landesherr und bürgerliche Selbstverwaltung, Bonn 1924, S. 46-55.

[76] Stadtarchiv Bonn (StA Bonn), Ku 102/1, Ortus et progressus collegii Bonnen­sis. Die Je­suiten, Bannerträger der Gegenreformation, vor allem aber Orga­nisatoren der katho­lischen Reform, kamen zum ersten Mal 1586 nach Bonn, al­lerdings nur zu zweit. Der Überfall der truchsessischen Freibeuter unter Martin Schenk ver­trieb die Jesuiten wieder und ließ sie erst 1590 zurück­kehren. Ihre Nieder­lassung blieb klein und diente vornehmlich der Betreuung des Hofes. Nen­nenswerte gegenreformatorische Impulse von ihrer Seite lassen sich vor der Wende zum 17. Jahrhundert nicht feststellen. Die ersten Kon­versionserfolge stammen aus dem Jahr 1626.

[77] AEK, Ortsakten Bonn Gangolph 5.

[78] Im StA Bonn, Nachlaß J. Dietz, Nr. 33, Teil 2, befindet sich ein entspre­chender Auszug aus den Bonner Kellnereirechnungen vom 13.1.1610 (Verhaf­tung) bzw. 28./29.1.1610 (Hinzuziehung von Patres und Pfarrer).

[79] Die beste Schilderung dieser Zeitspanne findet sich bei Johann Maria Ruetz, Die Finanzzustände im Erzstift Köln während der ersten Regierungsjahre des Kurfürsten Ernst von Baiern 1584-88, in: ANrh 72 (1901), S.1-88 bzw. Karl Unkel, Die Finanzlage im Erzstift Köln unter Kurfürst Ernst von Bayern 1589-1594, in: Historisches Jahrbuch 10 (1889), S. 439-524 und 717-747. Ein gutes Beispiel für die Atmosphäre, insbesondere auch für die Verrohung der Sitten, liefert das "Verhör des Streufers Johann von Brauweiler, 1593", mitgeteilt von Leonhard Ennen, in: ANrh 31 (1877), S. 161-171.

[80] Unkel, S. 723, der sich auf einen Bericht des Nuntius Frangipani bezieht.

[81] J. J. Scotti, Sammlung der Gesetze und Verordnungen, welche im ehemaligen Churfürstentum Cöln ... ergangen sind, Bd. I/1, Düsseldorf 1830, Nr. 37.